Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 19.1918

DOI Heft:
Nr.1
DOI Artikel:
Krollmann, Christian: Die Schlacht bei Tannenberg am 15. Juli 1410
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34328#0018

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4

es am 15. Juli 1410 bei Tannenberg zu einer Begegnungsschlacht. Es ist zwecklos, wie das in moderner Zeit vielfach
geschehen ist, theoretische Erwägungen über die strategischen und taktischen Maßnahmen bei beiden Parteien an-
zustellen, denn wir kennen ihre Pläne nicht; wir tun daher gut, uns lediglich an das zu halten, was uns die zeit-
genössischen Berichte überliefern. Danach waren die Polen am 13. Juli von Soldau aus nordwärts marschiert
und hatten gegen Abend die von Flüchtlingen überfüllte Stadt Gilgenburg erstürmt. Die Kunde hiervon er-
reichte am 14. das Ordensheer, und der Hochmeister brach am nächsten Tage bei Morgengrauen auf, um durch einen
Gewaltmarsch den Polen den weiteren Weg nach Norden zu verlegen. Als die Vorhut des Ordens aus dem
Dorfe Grünfeld aus das freie Feld rückte, wurde sie des Feindes ansichtig. Alsbald ließ der Hochmeister das ganze
Heer in Schlachtordnung mit der Front nach Süden aufziehen. Vergeblich aber wartete er darauf, daß der Gegner
sich gleichfalls entwickelte. Die Nacht war ein Gewittersturm gewesen, in ihren schweren Rüstungen dem Sonnen-
brände ausgeseht, litten die durch den Gewaltmarsch ermüdeten Deutschen unter der schwülen Hitze. Anders die
Polen, sie hatten eine ruhige Nacht gehabt, waren erst gegen 6 Uhr morgens aufgebrochen und hatten nach einem
kurzen Marsche von 10 bis 12 Kilometern südlich von Ludwigsdorf ein Lager ausgeschlagen. Ein von Hecken und
Waldstücken durchzogenes Gelände hinderte den Einblick von Norden her. Rechtzeitig erfuhr der König die An-
näherung des Feindes, und in musterhafter Ruhe ließ er die Schlachtreihen ordnen, ohne dem Feinde eine volle
Übersicht zu bieten. Da er nun aber keine Miene machte, anzugreifen, so wurde die Lage des unter der Hitze
leidenden Ordensheeres unerträglich. Deshalb entschloß sich der Hochmeister, den Gegner förmlich zum Kampfe
herauszufordern. Dieser Herausforderung, die durch zwei Herolde mit blanken Schwertern feierlich überbracht
wurde, gab der König Folge. Indem sie das alte Marienlied Bogarodzicza anstimmten, rückten die Polen auf der
ganzen Linie vor. Auf dem rechten Flügel drängte der Großfürst Witowd mit seinen Litauern ungestümer vor-
wärts und stieß zuerst mit dem Gegner zusammen. Der Dcnner der preußischen Geschütze begrüßte die Angreifen-
den, während sie die nicht sehr bedeutende Bodensenkung durchschritten, welche die beiden feindlichen Heere noch
trennte. Aber die wenigen Geschosse, die in die Reihen des Gegners geschleudert wurden, hielten diesen nicht
auf, und schon nach dem zweiten Schüsse verstummten die Geschütze, denn die Reitergeschwader des Ordens ließen
sich nicht mehr halten und sprengten ungestüm dem Feinde entgegen. Heftig tobte der Kampf in der Senkring
hin und her. Sehr bald wurde der rechte Flügel der Litauer geworfen. „Von den gnadin des Herrin worden sy
vor fuse weggeslagin," sagt der preußische Chronist. Wenn es auch Witowd bald gelang, die Reihen seiner Kern-
truppen wieder herzustellen, so gewann doch der Hochmeister die Überzeugung, daß die Schwäche der Feinde
im rechten Flügel lag, während sich die Polen, noch ehe sie alle Kräfte ins Treffen geführt hatten, auf dem linken
Flügel ihren Gegnem gewachsen zeigten. Er ließ daher, um die Litauer mit einem Schlage aufzurollen und dann
seine ganze Kraft gegen die Polen wenden zu können, den linken Flügel des OrLenshceres erheblich verstärken.
Dadurch gewann derselbe in der Tat immer mehr Boden, und nach Verlauf von etwa einer Stunde befand sich
der litauische Streithaufe in voller Auflösung, die bald in wildeste Flucht ausartete. Hätte jetzt die Leitung des
Ordensheeres alle ihre Truppen in der Hand behalten, so wäre der Sieg zweifellos gewesen. Denn als auf dein
siegreichen linken Flügel der Deutschen das Siegeslied erscholl „Christ ist erstanden", stimmten die übrigen Streiter
mit ein und erschütterten in gewaltigem Anprall die polnische Schlachtlinie. Dreimal machte der Hochmeister,
der an der Spitze seiner Ritter focht, durch die Reihen derPolen „die Kehre", d.h. er durchbrach sie kämpfend und jagte
dann, rechts und links vernichtende Schläge austeilend, wieder zurück. Die Heeresleitung der Polen aber hatte
sich vorsichtig zurückgehalten und war in der Lage, im entscheidenden Augenblicke durch rechtzeitige Entsendung
frischer Truppen den Kampf wieder herzustellen, während dem Ordensheere die Verstärkung seines linken Flügels
verderblich wurde, da seine Führer es nicht verstanden, ihre Reiter zusammenzuhalten, sondern es geschehen ließen,
daß sie sich bei der Verfolgung der Litauer verzettelten und infolgedessen nicht rechtzeitig zur Unterstützung des
rechten Flügels gegen die Polen eingesetzt werden konnten. Dadurch wurde es diesen möglich, die bloßgegebene
linke Flanke der ihnen gegenüber fechtenden Deutschen zu umklammern. Noch einmal gelang es dem Hochmeister,
eine Anzahl Fähnlein außerhalb des Gewühls um sein Banner zu scharen und zu neuem Ansturm zu führen.
Aber es gelang ihm nicht wieder, die Reihen derPolen zu durchbrechen, im Gegenteil, er wurde von beiden
Seiten überflügelt, von rechts führte der unermüdliche Witowd heran, was er aus der Niederlage seiner Litauer
gerettet hatte, und von links her vermochte der König noch einen frischen Söldnertrupp in den Kampf zu werfen.
Zn dieser schwierigen Lage machte schnöder Verrat in den Reihen des Ordensheeres das Unheil voll. Nickel von
Renys, der Bannersührer des kulmischen Adels, unterdrückte das Banner und gab seinen Genossen das Zeichen
zur Flucht. Das große Banner des Ordens ging verloren, ebenso das des Hochmeisters. Mitten im Gewühl sank
dieser selbst tödlich getroffen zu Boden. Mit ihm fielen alle Großgebictiger des Ordens, die an dem Kampfe teil-
genommen hatten, mit Ausnahme des Obersten Spittlers Werner von Tettingen. Erschlagen lagen elf Komture,
nur zwei entkamen, zwei wurden gefangen und nach der Schlacht von den Polen umgebracht. Im ganzen starben
206 Ordensbrüder den Heldentod. Die führerlosen Neste der Fähnlein lösten sich in wirrer Flucht aus, scharf
verfolgt von den siegreichen Polen. Das Heer des Ordens war gänzlich vernichtet.
Der glänzende Sieg, den die Polen und Litauer bei Tannenberg über das zwar zahlenmäßig schwächere, aber
kriegsgewohnte und tapfere Heer der Ritter vom Deutschen Orden erfochten, war kein unverdienter. Der Feldzug
war planvoll vorbereitet, die Führung geschickt, die Leitung im Kampfe voll überlegener Ruhe, und daß der Sieg
mit Übermacht gewonnen wurde, muß immerhin als ein Verdienst des Kriegsherrn anerkannt werden, der sie
im richtigen Augenblicke am richtigen Orte zur Hand hatte. Trotz der Größe seiner Niederlage war aber der Orden
durch die Schlacht bei Tannenberg nicht zerschmettert, seine Widerstandskraft nicht gebrochen. Noch steckte eine
gewaltige militärische und moralische Kraft in ihm, die ihn befähigte, auch die unerwartet schweren unmittelbaren
Folgen der Niederlage zu überwinden, das zeigt der weitere Verlaus der Kämpfe mit den Polen, deren Be-
trachtung ein zweiter Aufsatz gewidmet sein soll.
 
Annotationen