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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 20.1919

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Nr. 5
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Löwis of Menar, Karl von: Fünf Burgen Alt-Livlands, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.34329#0054
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48

Die Ruine verfällt von Jahr zu Jahr. Es besteht
ein Komitee zur Erhaltung dieses großartigen Baudenk-
mals unserer Vorzeit, doch aus Mangel an Mitteln ist
die Tätigkeit für die Wahrung der Ruine sehr beschränkt.
Die dringend notwendie Bedachung des Westturmes
wurde gerade noch vor dem Ausbruch des Weltkrieges
beendet, doch sind die Unkosten noch lange nicht gedeckt
und die roten Räuber haben Eisenteile des neuen Dach-
stuhles gestohlen! —
Nach Auflösung der mittelalterlichen geistlichenTerri-
torialstaaten in Livland kam Wenden 1562 unter pol-
nischen nominellen Schutz, der jedoch gänzlich versagte,
als 1577 Moskowiter und Tataren die Stadt Wenden
eingenommen und dort an den unschuldigen Einwohnern
asiatische Greuel verübten. Die Besatzung der Burg sah
das mit Entsetzen an, beschloß sich im kleinen Gemach
zwischen Kapelle und Kapitelsaal in die Lust zu sprengen,
eine Tat, die von den Zeitgenossen verurteilt, später
aber entschuldigt und als Heldentat angesehen wurde.
Nun begann der Verfall der stolzen Burg, die seit
1747 in Privatbesitz kam, durch Schenkung der Kaiserin
Elisabeth an ihren Kanzler Bestustrew-Ramjn. Jetzt
gehört sie einem Grasen von Sievers.
Ausgrabungen sind wenig ausgeführt, so daß
Schritt viele- bemerkenswerte Teile bedeckt. Die Fundamente des Brückenkopfes vor dem Haupttore des
Konventsbarres sind vor vielen Jahren freigelegt, desgleichen der Brunnen im Konventshof. Sonst liegt das
meiste wüst. Die ehemaligen Küchenräume sind Holzstall, in der Kapelle ist ein Hühnerstall eingebaut und in der
Sakristei gar ein Schweinestall! — 8io transit Klarier wnnäi! —
Dank der landschaftlichen Schönheiten des Mittellaufes der Livländischen- oder Treyder-Aa, etwa von Wolmar
an bis Hinzenberg, werden die aus der Höhe des Talrandes belegenen Bergruinen der Livländischen Schweiz:
Segewold, einst Komturei des Deutschen Ordens und Sitz seines Landesmarschalls, Treydcn, eine ehemalige
Veste des Erzbischofs von Riga für Livland und Preußen und Kremon, die Burg des erzstiftischen Domkapitels
und namentlich auch Wenden recht viel besucht.*)
Nachdem im Juli 1889 die Riga-Dorpater Eisenbahn eröffnet worden war, stieg der Touristenandrang zu
diesen geschichtlich wie landschaftlich so bemerkenswerten Ortschaften ganz bedeutend. Von Wenden aus läßt sich
östlich die große Burgruine von Ronneburg am Raunefluß, ehemals eine der Residenzen des Erzbischofs von Riga
bequem erreichen, ebenso westlich die noch bewohnten erzbischöflichen Vasallenburgen: Groß-Roop, im Besitze der
Freiherren von Rosen, mit seinem starken viereckigen Burgturin und mittelalterlichen Kirche, belegen am linken
Ufer der Ropa, jetzt Brasle genannt. Klein-Noop, im Besitze der Freiherren von Meyendorff, mit seinem gleich-
falls viereckigen eingesügten Torturm, belegen am rechten Ufer des sogenannten Nebenflusses der Treyder Aa.
Wenden selbst aber bleibt die Perle der Burgruinen Livlands, sowohl in geschichtlicher als auch künstlerischer
Hinsicht, als ein redendes Denkmal der Machtentfaltung und Kunstfertigkeit der großen Zeit des alten deutschen
Reiches.
Am Mittwoch, den 20. Februar 1918, haben die kühnen deutschen Stoßtruppen, die ehemals durch eine
Stadtmauer mit Toren undTürmen verseheneWenden erreicht und von bösen Zuständen befreit, von allen Ständen
und Nationalitäten jubelnd empfangen!

*) Vergleiche: Führer durch die Livländische Schweiz mit Wenden und Wolmar von K. von Löwis of Munur und Dr.
Fr. Biennmann. Z. Auflage mit 2 Karten, 5 Plänen und S Ansichten. Riga IS12.



Abb. 49. Burg Wenden, Sterngewölbe im Westturm,
Gemach des Hauptgeschosses.
 
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