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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 40.1939

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Gabelentz, Hans von der: Burgenfahrt ins Sudetenland: 13. bis 19. Juni 1939
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Knapp, Werner: Burgen im Sudetenland
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https://doi.org/10.11588/diglit.35029#0028
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Ein besonderer Dank gebührt aber auch den von uns besuchten Familien dafür, daß sie wertvolles Kulturgut in
ihren Schlössern schon seit Jahrhunderten aufbeivahrten, erhielten, durch Sammlungen vermehrten. Die Pflege der
„Großen Kunst" kommt den öffentlichen Sammlungen zu; aber eine feinere Wohnkultur ebenso wie einen künstlerischen
Lebensstil zu wahren, das ist die besondere Aufgabe solcher Familien, die dazu nicht nur die äußeren Mittel, sondern vor
allem auch die innere, traditionsmäßige Befähigung haben. Die große Kulturaufgabe unseres Grenzdeutschtums
wird vielfach noch zu wenig erkannt und anerkannt. Verständnis hierfür zu wecken und weiteste Kreise auf die kultur-
geschichtliche Bedeutung mittelalterlicher deutscher Burgen hinzuweisen, ist auch eine Aufgabe unserer Burgenfahrten.
Der Vereinsführer Bodo Ebhardt führte die Vorbereitung, die schwierigen Verhandlungen und die Leitung
der eigentlichen Fahrt in alter Sicherheit als Sprecher der Vereinigung persönlich durch.

Burgen Lm Sudetenland.
Von Dozent Or. Werner Knapp, Stuttgart.
das bedeutet mehr als eine Reise, heißt Reisen in doppeltem Sinn. Eine weite Schau tut
das Schaffen deutscher Ahnen und es enthüllt sich das Land in besonderer Art als Stätte
Wirkens und Strebens, als Kampfplatz um deutsche Geltung.
Burgen, die wir besichtigen dursten, sie sind Schlüssel zum Leben deutscher Vorfahren zu
da noch Wald auf größere Strecken die Täler erfüllte als heute. Sie sind Ausgangspunkte
für die Erschließung weiter Gebiete, Marksteine deutscher Rodungs- und Siedlungsarbeit im hohen Mittelalter.
Von den Burgen geleitet und geschirmt wurden durch Bauern die Vorbedingungen geschaffen für das Aufblühen
deutscher Städte und Märkte.
Entwicklungsgeschichtlich gesehen sind es vor allem zwei Ruinen, die eingehende Erwähnung verdienen: Pfr aum -
berg und Bösig. Diese beiden sind als Anlagen nicht nur bezeichnend für Böhmen, in ihnen haben die für den
hochmittelalterlich deutschen Landesausbau schlechtweg wesentlichen Typen, die Turmburg und die Hausburg, ein-
deutig klare Prägung erhalten. Ruine Pfraumberg bestand im wesentlichen aus einem für Dauerwohnung ein-
gerichteten Turm mit übereinanderliegenden Genrächern; noch sind in einer Ecke Reste von Kaminkonsolen erhalten,
Spuren einsüger Wohnlichkeit. Quaderbau und Fensterüberwölbungen verraten eine bereits hochentwickelte Bau-
technik, der zufolge sich die Ruine auch gut erhalten hat. Freilich mag ihr dabei auch der Umstand zu Hilfe gekommen
sein, daß außer dem kleinen Dorf zu Füßen des Burgbergs keine größere Siedlung in näherer Umgebung vorhanden
ist, welche Abbruchmaterial benötigt hätte. Pfraumberg stellt einen Typus dar, wie er durch die Normannen in Nord-
frankreich wohl am großartigsten entwickelt worden ist. Im Vergleich mit den mir bekannten Turmburgen auf deut-
schem Kulturboden hat Pfraumberg eine Besonderheit aufzuweisen, einen Anbau mit Aborteinrichtung, steinmetz-
müßig nicht minder gut gearbeitet als der ganze Turm. Derartige Vorbauten zeigen auch Normannentürme, da-
gegen ist mir von einer hygienischen Einrichtung in diesen Anbauten nichts bekannt. Von der Ringmauer, welche
dem Gelände folgend den oberen felsigen Teil der Kuppe umschloß, sind nur noch geringe Reste vorhanden, auch der-
einst gegen Norden gerichtete Torbau ist verschwunden. Wohnraum konnte diese Burg nur höchstens einer Familie
bieten, so gehört dieser Typus auch jener Zeit an, in der ein weitverzweigter Adelsstand als Herrenschicht die Leitung
deutscher Landnahme übernommen hatte.
Den wachsenden Wohnbedürfnissen dieser Familien konnte die Turmburg auf die Dauer nicht entsprechen.
Der Turm weitet sich mehr und mehr zum „Haus", wie der folgende Typ in den Urkunden heißt. Auf dieser Ent-
wicklungslinie liegt Petschau mit seinem mächtigen spätgotischen Turmhaus. Der Burgfels bildet ein Dreieck, mit
der schmal auslaufenden Spitze nach Süden weisend. Auf die kurze, nordwärts gekehrte Grundlinie stellt sich der
ältere Gebäudebestand, westwärts das Turmhaus, östlich die Kapelle, dazwischen spannt sich ein Trakt mit wenigen
Räumlichkeiten. Die Südspitze war vor Zeiten durch einen runden Turm gesichert, noch sind die auf eigenem kleinen
Felskopf errichteten Fundamente erhalten. Während Kapelle und Turmhaus, mit ihren spätgotischen Gewänden,
den Fenstern mit Seitensitzen in den Nischen und den verblichenen Fresken der heiligen Kummernus, dem 15. Jahr-
hundert angehören mögen, ist der zwischen Turmhaus und Südturm eingespannte, wohl an eine ältere Ringmauer
angelehnte heutige Wohnflügel seiner äußeren Erscheinung nach ein Werk der Renaissance. Bindeglied zwischen
Ortschaft und Hochschloß bildet die frühbarocke Vorburg unter dem Rundturm mit dem mächtigen vieleckigen Turm,
der zusammen mit dem Graben den Torschutz übernimmt.
Vorherrschend auf der ganzen Reiseroute ist der jüngste Typus der deutschen Burg, die Hausburg. Schritt-
weise tritt nun der Wehrcharakter zurück und gibt einer besseren Wohnlichkeit Raum. Man stelle sich nur vor, wie
beschwerlich das Wohnen sein mußte in einem Turm, wie Pfraumberg, in dem man nur über eine schmale, in
der Mauer liegende Treppe von einem Raum in den andern gelangen konnte. Es muß auf dieser Linie das Turm-
haus bereits als wesentlicher Fortschritt gewertet werden, denn nun liegen wenigstens zwei durch eine Tür ver-


urgenfahrt,
sich auf in
deutschen!
Die
einer Zeit,
 
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