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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 43.1942

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Schmid, Bernhard: Burgen in Litauen
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https://doi.org/10.11588/diglit.35019#0013
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II


Abb. 22. Jnselburg Traken in Litauen.

Foto: vr. Schund.

Geschichtliche Quellen.
8criptores reiam Nenssieaeum >1, 1863, Chronik des
Wigand von Marburg. — III. 1866, Chronik des Landes
Preußen von Johannes von Posilge.
Prochaska, Loclex epistolaris Vitolcll, Krakau 1882.
Joachim, Das Marienburger Treßlerbuch der Jahre
1399—1409. Königsberg (Pr.) 1896.
Krumbholtz, Samaiten und der Deutsche! Orden
bis zum Frieden am Melno-See. Königsberg <Pr.> 1890.
Pfitzner, Großfürst Witold von Litauen als Staats-
mann. Leipzig 1930.
Hirsch, Handels- und Gewerbegeschichte Danzigs.
Leipzig 1858.
Mir
gehört zur Herrschaft Nieswiez, die den südöst-
lichen Teil der Woiwodschaft Kl.-Naugarteu aus-
füllt und volkskundlich schon zu Weißrutheuieu
gerechnet wirdZ. In ebenem Gelände liegt die
Siedelung an dem Flüßchen Mir, das zur Üscha, einem Nebenfluß der Memel, geht. Die ältere Geschichte ist noch
wenig erforscht. Im 15. Jahrhundert saß hier die litauische Familie Jlinicz, deren Mitglieder auch als Grafen von
Mir bezeichnet wurden. Die Art des Besitzüberganges an die Radziwill^) ist noch nicht geklärt. Johann, der Sohn
Nikolaus' II., Radziwill, des Woiwoden von Wilna, gestorben 1508, war Kastellan von Traten und Marschall
von Litauen; in erster Ehe mit einer Fürstin Lukomski, in zweiter Ehe vermählt mit NN. Gastold, in dritter mit
Anna Kiszka, die alle ans drei angesehenen litauischen Geschlechtern stammten. Sein Sohn dritter Ehe Nikolaus
der Schwarze, erhielt 1549 von Karl V. den Reichsfürstenstand; Sophia, die Tochter Johanns aus erste/Ehe war
mit Georg Jlinicz, Graf von Mir, vermählt. Johann starb 1542. Wenn sein Schwiegersohn Georg Jlinicz wirklich
den Bau hegonnen hat, so wird Radziwill doch wesentlichen Einfluß auf die Baugestaltung gehabt haben: Radziwill
hat zur Zeit des Papstes Julius II. (1503—1513) eine Pilgerfahrt nach Rom gemacht. Die in der Grundrißanlage
auffallende Ähnlichkeit mit italienischen Kastellbauten wird durch seine Kenntnis Italiens veranlaßt sein. Das Ge-
schlecht wird schon damals hoch angesehen, Johannes' älterer Bruder Nikolaus III., erhielt 1515 von Maximilian I
die Würde als Reichsfürst. Der tatsächliche Besitzübergang, der 1532 oder später erfolgt, war dann nicht mehr
von so großer Bedeutung.
Das Schloß bildet ein Quadrat von rund 63 in Seitenlänge, die vier Ecken sind mit weit vorspringenden Türmen
besetzt, ebenfalls auf quadratischem, 9 m breitem Grundriß. Als fünfter tritt der Torturm in der Mitte vor der West-
front hinzu. Der Nord- und Qstflügel sind wohl ausgebaut, der Südflügel fehlt jetzt, war vielleicht nur mit Wirt-
schaftsgebäuden besetzt. Der Hof hat dadurch jetzt auch quadratischen Grundriß von 43 m Seitenlänge. Die äußere
Architektur zeigt noch die Formen der spätesten Gotik in den Rundbögen und im Reichtum des Flächenschmuckes.
Die reichen Verschlingungen, wie z. B. au der Auneukapelle zu Wilna, sind aber unterlassen, die Erinnerung an
die Hochgotik beherrscht die Architektur. Beim Bau der Wohnflügel tritt ein Wechsel in der Bauleitung ein, die Fenster
und Türen haben schon Renaissance-Umrahmungen aus Sandstein, die Konsolen haben Voluten-Schmuck und anderes
mehr. Tie technische Ausführung des Baues ist sehr sorgfältig, das Steiumaß 9:15: 29^ noch mittelalterlich,
10Schichten sind 1,15m hoch, der Verband zeigt einen Läufer, einen Binder. Als Profilstein kommt nur der Viertel-
kreis an der flachen Kante vor, mit dem Gesimse gebildet werden. Auch die etwas jüngere Steinmetzeuarbeit ist sorg-
fältig ausgeführt und verrät die Hand erfahrener Werkleute.
Das Schloß liegt außerhalb der Stadt in flachem, waldarmen Gelände, umgeben von einem niedrigen Vorwall,
der an der Nordostecke eine viereckige Bastion hat: on der Südostecke ist Bastion nicht mehr erhalten. Südlich schließt
sich ein See an die Burg an, in dessen Wasser sich der fünftürmige Bau spiegelt.
In der Baugeschichte ist der Übergang von der älteren Architektur des 15. Jahrhunderts zur Renaissance zu
erkennen. Die Türme haben eine auffallende Verwandtschaft mit dem Turm der Bernhardiner-Kirche zu Wilnach;
dessen Bau steht, wie oben gesagt, in Verbindung mit Nikolaus >l. Radziwill. Seine beiden Söhne Nikolaus III.
Radziwill Fürst von Gouioiidz und Albrecht Bischof von Wilna (1507-1519), gelten als besondere Förderer des
Turmbaues in Wilna. Johann Radziwills'Reise nach Rom muß aber auch berücksichtigt werden. Demgemäß ist der
Baubeginn noch in das Ende des 1. Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts zu setzen. Italienische Architekten und Stein-
metzen sind in Krakau spätestens 1516 nachweisbar^, noch vor der 1518 erfolgten Vermählung der Bona Sforza

9 Der Name Mir ist weder litauisch noch polnisch, sondern russisch und bedeutet „Frieden".
9 Nicsieüi, Ilerbar/. golslri, Band VII, Leipzig 1841.
9 Jäger Die St. Annenkirche und die Klosterkirche von St. Bernhardin und St. Michael in Wilna. Wilna 1918.
9 Esfcnmein, Die mittelalterlichen Kunstdenkmäler der Stadt Krakau. Leipzig 1869, Beilage XX.
 
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