Busse, Erwin von; Guardi, Francesco [Ill.]: Francesco Guardi und die Kleinmeister des venezianischen Rokoko (Bibliothek der Kunstgeschichte, Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1925)

Künstler und Kaufleute; aber es scheint sie ringen nicht
mehr im Kampf; sie spielen das Leben aus und gewin-
nen es. Sie genießen ihren Beruf wie der einfache Gon-
doliere, der Tassos Stanzen zum Schlage des Ruders singt,
wie der Straßenhändler, der seine Waren in Melodien
anpreist, wie der Handwerker, zu dessen Besorgung stets
der neueste Gassenhauer erklingt. Und schließlich wie
seit Jahrhunderten hat hier die Kirche das Wort. Aber
die Messe wird zur Oper, die Kathedrale zum Musik-
saal, und in den „Hospitälern“ gibt man zum Preise der
allerschönsten Jungfrau Maria ein schönes weltliches
Konzert. Die Geschichte dieses Venedig ist Rokoko-
geschnörkel, ist Mosaik aus buntem Glas und Steinen:
Maskeraden, Serenaden, Gondelfahrten, Pulcinellen-
kästen und Bajazzi . . . Zweihundert Kaffeehäuser be-
sitzt die Stadt, und Tag und Nacht sind sie geöffnet. In
sieben verschiedenen Theatern gibts Komödie, Oper und
Ballet, und man bespöttelt das volkreiche Paris, weil es
nur drei Theater hat. Musikalische Akademien in Kir-
chen und Palästen, Karneval ob Winter oder Sommer,
Stiergefechte auf dem Markusplatz, der zur Arena um-
gewandelt ist. Musik, immer wieder Musik ! Ständchen
mit Mandolinen und Gesang, Janitscharenkapellen in
türkischer Tracht, Symphoniekonzerte auf einer schwim-
menden Insel vor der Riva degli Schiavoni. — Nichts
ist unmöglich was Freude macht. Alles ist erlaubt, was
Takt und Geschmack noch vertreten können. Kein
Gesetz engt das wollüstige Leben ein; nirgends und nie-
mals, nicht einmal im kaiserlichen Rom ist die Moral
so weitherzig, das Savoir vivre so großzügig gewesen. -—
Hier ist der Boden Casanovas. Cagliostro fühlt sich hier
zu Haus. Und im kleinen tut die ganze Stadt es diesen
beiden Großen nach. Glücksspieler, Abenteurer, Komö-

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