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Robert, Carl
Programm zum Winckelmannsfeste der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin (Band 39): Thanatos — Berlin, 1879

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https://doi.org/10.11588/diglit.722#0004
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Als vor nunmehr hundert und zehn Jahren Gotthold Ephraim Lessing seine
Untersuchung „Wie die Alten den Tod gebildet" schrieb, konnte er seine An-
sichten nur durch römische Monumente belegen. Eifrig aber mit wenig Glück stellte
über ein halbes Jahrhundert später Eaoul Kochette in seinen Monumens inedits wirk-
liche und vermeintliche Todesdarstellungen zusammen und zog dabei zum ersten Mal
griechische Monumente — allerdings kaum eines mit Eecht — in den Kreis der Be-
trachtung. Hingegen konnte im vorigen Jahrzehnt Julius Lessing, den jetzt unsere
Gesellschaft unter ihre Mitglieder zählt, in seiner Dissertation de mortis apud veteres
figura (Bonn 1866) bereits drei gesicherte griechische Darstellungen des Thanatos auf-
führen; den Eesultaten, zu denen J. Lessing in seiner Abhandlung gelangt, stimme ich
fast in allen Punkten bei, wenn ich auch das Meiste etwas anders zu formuliren ge-
sucht habe; vor Allem scheint mir der Gesichtspunkt, dass die Griechen überhaupt den
Thanatos selten dargestellt und warum dies der Fall war, mit Becht in den Vordergrund
gerückt. Im Verhältniss zu den früher bekannten Monumenten etwas reichlicher, aber
an sich immer noch sehr spärlich ist der Zuwachs von Thanatos-Darstellungen, den
uns das letzte Jahrzehnt gebracht hat; aber die Gestalt des Thanatos erscheint auf
ihnen in überraschender Schönheit; stammen sie doch auch alle aus der Kunstperiode,
welche zur Lösung gerade dieser Aufgabe vorzugsweise befähigt erscheinen musste,
aus der Zeit des Praxiteles und Skopas und der unmittelbar vorhergehenden Periode.
Die bedeutendsten derselben werden hier in sorgfältigen Publikationen, deren Ge-
lingen vor Allem der eifrigen Unterstützung der Herren Director Conze in Berlin und
Professor Jacoby in Wien verdankt wird, den Mitgliedern und Freunden der archäo-
logischen Gesellschaft geboten. Bei der Wahl dieser Gabe war der Gedanke mass-
gebend, dass es sich zieme im hundert und fünfzigsten Geburtsjahre Lessing's auch
seiner am Winckelmannstage zu gedenken. In der Abhandlung „Wie die Alten den
Tod gebildet" schrieb Lessing die stolzen Worte: „Ein andres ist der Alterthums-
krämer, ein andres der Alterthumskundige. Jener hat die Seherben, dieser den Geist
des Alterthums geerbt. Jener denkt nur kaum mit seinen Augen, dieser sieht auch
mit seinen Gedanken". Wer heute Lessing's Untersuchung vor dem Thanatos der
attischen Lekythen und der ephesischen Säule liest, muss bekennen, dass er das
sagen durfte; Lessing hat wirklich mit seinen Gedanken gesehen.

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