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es sagt sie, wie wenn sie zur Geschichte gehörten, einer seinem
Nachbar. Oder wenn Hektor in den Waffen Achill's triumphirt,
dann wird die Betrachtung seines nahen Todes von Zeus selber
ausgesprochen, der das Haupt ernst bewegend der Stimmung des
Dichters wie des Hörers, die das Bevorstehende kennen, einen
rührenden Ausdruck gibt. Homer ist in der natürlichen ursprüng-
lichen Harmonie mit der Sache, spätere Dichter vereinen ihr
wieder kunstreich die freigewordene Innerlichkeit. Das Gesetz
daß der Epiker hinter seinem Werke verschwinde und dies sich
in seiner Objectivität selbständig vor uns entfalte, dies erfüllt
Homer von Natur. Seine Snbjectivität erkennen wir aus seinem
Werk. Odysseus und Penelope offenbaren den Erfindungsreich-
thum seines Geistes, die Treue seines Herzens; wir ahnen den
Muth seiner Brust in der Waffenfrende des Achilleus, und aus
Andromache's lächelnder Thräne spricht die Innigkeit seines Ge-
müthes uns an, wie die Kindereinfalt seiner reinen Seele aus
dem Zurückbeben des kleinen Astyanap vor dem Helmbnsch des
Vaters. Es ist das eigene Vaterlandsgefühl des Dichters das
er seinen Helden einhaucht, sodaß Hektor sich über die Deutung
des Vogelflugs zu dem freien Geistesblick erheben kann: „Ein
Wahrzeichen nur gilt: das Vaterland zu erretten!" Es ist seine
eigene Liebe zur Heimat, die den Odysseus sich sehnen läßt den
Rauch des Vaterhauses wieder anfwirbeln zu sehen. Es ist seine
Menschlichkeit, die auch im Sauhirten Eumäus das Göttliche der
Menschennatur, die Treue und den Muth betont, sein tiefes Mit-
gefühl für alles Lebendige, das den Hund Argos mit brechendem
Auge den heimkehrenden Herrn erkennen läßt der insgeheim die
Thräne sich abwischt.
Das aber ist eben das Anziehende und ganz Einzige bei
Homer, dieser vollendete Einklang von Natur und Kunst, diese
Kunst die noch ganz unmittelbar und reffepionslos das Schöne
gleich einer organischen Entfaltung der Natur hervorbringt, diese
Natur die kraft des auf das Aesthetische gerichteten Volksgeistes
so echt künstlerisch wirkt. Es ist das Naturgesetz der Dichtkunst
im Unterschied von der Plastik oder Malerei, daß sie, die das
Schöne in nacheinander ertönenden Worten, im Flusse der Zeit
darstellt, nicht im Raum mittels nebeneinander ruhender sichtbarer
Formen, damit auch an die Darstellung des bewegten Lebens ge-
wiesen ist; unbewußt hat es Homer erfüllt, die Heldenlieder waren
Erzählung von Ereignissen, von Handlungen, und die Charaktere
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es sagt sie, wie wenn sie zur Geschichte gehörten, einer seinem
Nachbar. Oder wenn Hektor in den Waffen Achill's triumphirt,
dann wird die Betrachtung seines nahen Todes von Zeus selber
ausgesprochen, der das Haupt ernst bewegend der Stimmung des
Dichters wie des Hörers, die das Bevorstehende kennen, einen
rührenden Ausdruck gibt. Homer ist in der natürlichen ursprüng-
lichen Harmonie mit der Sache, spätere Dichter vereinen ihr
wieder kunstreich die freigewordene Innerlichkeit. Das Gesetz
daß der Epiker hinter seinem Werke verschwinde und dies sich
in seiner Objectivität selbständig vor uns entfalte, dies erfüllt
Homer von Natur. Seine Snbjectivität erkennen wir aus seinem
Werk. Odysseus und Penelope offenbaren den Erfindungsreich-
thum seines Geistes, die Treue seines Herzens; wir ahnen den
Muth seiner Brust in der Waffenfrende des Achilleus, und aus
Andromache's lächelnder Thräne spricht die Innigkeit seines Ge-
müthes uns an, wie die Kindereinfalt seiner reinen Seele aus
dem Zurückbeben des kleinen Astyanap vor dem Helmbnsch des
Vaters. Es ist das eigene Vaterlandsgefühl des Dichters das
er seinen Helden einhaucht, sodaß Hektor sich über die Deutung
des Vogelflugs zu dem freien Geistesblick erheben kann: „Ein
Wahrzeichen nur gilt: das Vaterland zu erretten!" Es ist seine
eigene Liebe zur Heimat, die den Odysseus sich sehnen läßt den
Rauch des Vaterhauses wieder anfwirbeln zu sehen. Es ist seine
Menschlichkeit, die auch im Sauhirten Eumäus das Göttliche der
Menschennatur, die Treue und den Muth betont, sein tiefes Mit-
gefühl für alles Lebendige, das den Hund Argos mit brechendem
Auge den heimkehrenden Herrn erkennen läßt der insgeheim die
Thräne sich abwischt.
Das aber ist eben das Anziehende und ganz Einzige bei
Homer, dieser vollendete Einklang von Natur und Kunst, diese
Kunst die noch ganz unmittelbar und reffepionslos das Schöne
gleich einer organischen Entfaltung der Natur hervorbringt, diese
Natur die kraft des auf das Aesthetische gerichteten Volksgeistes
so echt künstlerisch wirkt. Es ist das Naturgesetz der Dichtkunst
im Unterschied von der Plastik oder Malerei, daß sie, die das
Schöne in nacheinander ertönenden Worten, im Flusse der Zeit
darstellt, nicht im Raum mittels nebeneinander ruhender sichtbarer
Formen, damit auch an die Darstellung des bewegten Lebens ge-
wiesen ist; unbewußt hat es Homer erfüllt, die Heldenlieder waren
Erzählung von Ereignissen, von Handlungen, und die Charaktere