208 Hellas.
sie bis auf die Beredsamkeit der ueuern Zeit seinen Einfluß
erstreckt.
Auch die Kunst der Geschichtschreibung verdanken wir dem
perikkeischen Athen. Jahrhundertelang hatte sich der phantasie-
volle Geist der Griechen in der Sagenbildung gefallen, und ihre
Zersplitterung in einzelne Städte und Cantone ließ das gegen-
wärtige Leben klein erscheinen im Vergleich mit den dichterisch
ansgeschmückten Thaten der Vorzeit. Als ein mehr realistischer
Sinn in Jonien erwacht war, erzählte man die Stammsagen in
Prosa, und stellte die Stammbäume der Geschlechter, die Grün-
dnngsgeschichten der Städte daneben; der rege Verkehr zu See
und Land eröffnete eine Länder- und Völkerkunde, und der ge-
lehrte Hekatäos ward ihr Begründer in der Literatur. Als aber
die Hellenen unter Führung Athens die Perserkriege bestanden,
da waren sie recht eigentlich in die Weltgeschichte eingetreten, da
bot die Wirklichkeit einen Stoff der mit der Mhthe sich messen
konnte, da erkannte Herodot in diesen Ereignissen einen neuen
großen Act des Kampfes zwischen Europa und Asien, der im
Alterthum durch den Raub der Jo, der Medea, der Helena und
besonders durch den hierdurch veranlagten troianischen Krieg be-
zeichnet erschien, und er machte die Darstellung des Gegensatzes
von Griechenland und dem Orient znm leitenden Gedanken eines
umfassenden Werkes, durch das er der Vater der Geschicht-
schreibung wurde, indem er bei der Erzählung der Begebenheiten
von einer Idee ausging und in ihnen die Entwickelung wie den
Charakter der Völker veranschaulichte. Halikarnaß, die Vater-
stadt Herodolls, hatte ihre griechische Gemeindeverfassung unter-
persischer Oberhoheit behalten. Zwischen dem ersten und zweiten
Perserkriege geboren hatte er von Jugend ans den Unterschied
des hellenischen und nichthellenischen Wesens vor Angen. Große
Reisen, die er bis nach Aegypten, Babylon und den Küsten des
Schwarzen Meeres ans Wißbegierde und Forschersinn ansgedehnt,
lehrten ihn den Sinn und die Sitten der Menschen kennen. Es
hätte nahe gelegen daß er seine Erfahrungen in einzelnen Schrif-
ten dargestellt. Aber er kam in den Mittelpunkt des geistigen
Lebens nach Athen, und wie der Homerische Genius die Helden-
lieder znm Epos organisirt hatte, so entwarf Herodot nnn ein
glanzvolles Gesammtbild, indem er in die zusammenhängende Er-
zählung der weltgeschichtlichen Ereignisse seiner Zeit die Schil-
derung der Länder und ihrer Cultnr einfkocht. Er gedenkt der
sie bis auf die Beredsamkeit der ueuern Zeit seinen Einfluß
erstreckt.
Auch die Kunst der Geschichtschreibung verdanken wir dem
perikkeischen Athen. Jahrhundertelang hatte sich der phantasie-
volle Geist der Griechen in der Sagenbildung gefallen, und ihre
Zersplitterung in einzelne Städte und Cantone ließ das gegen-
wärtige Leben klein erscheinen im Vergleich mit den dichterisch
ansgeschmückten Thaten der Vorzeit. Als ein mehr realistischer
Sinn in Jonien erwacht war, erzählte man die Stammsagen in
Prosa, und stellte die Stammbäume der Geschlechter, die Grün-
dnngsgeschichten der Städte daneben; der rege Verkehr zu See
und Land eröffnete eine Länder- und Völkerkunde, und der ge-
lehrte Hekatäos ward ihr Begründer in der Literatur. Als aber
die Hellenen unter Führung Athens die Perserkriege bestanden,
da waren sie recht eigentlich in die Weltgeschichte eingetreten, da
bot die Wirklichkeit einen Stoff der mit der Mhthe sich messen
konnte, da erkannte Herodot in diesen Ereignissen einen neuen
großen Act des Kampfes zwischen Europa und Asien, der im
Alterthum durch den Raub der Jo, der Medea, der Helena und
besonders durch den hierdurch veranlagten troianischen Krieg be-
zeichnet erschien, und er machte die Darstellung des Gegensatzes
von Griechenland und dem Orient znm leitenden Gedanken eines
umfassenden Werkes, durch das er der Vater der Geschicht-
schreibung wurde, indem er bei der Erzählung der Begebenheiten
von einer Idee ausging und in ihnen die Entwickelung wie den
Charakter der Völker veranschaulichte. Halikarnaß, die Vater-
stadt Herodolls, hatte ihre griechische Gemeindeverfassung unter-
persischer Oberhoheit behalten. Zwischen dem ersten und zweiten
Perserkriege geboren hatte er von Jugend ans den Unterschied
des hellenischen und nichthellenischen Wesens vor Angen. Große
Reisen, die er bis nach Aegypten, Babylon und den Küsten des
Schwarzen Meeres ans Wißbegierde und Forschersinn ansgedehnt,
lehrten ihn den Sinn und die Sitten der Menschen kennen. Es
hätte nahe gelegen daß er seine Erfahrungen in einzelnen Schrif-
ten dargestellt. Aber er kam in den Mittelpunkt des geistigen
Lebens nach Athen, und wie der Homerische Genius die Helden-
lieder znm Epos organisirt hatte, so entwarf Herodot nnn ein
glanzvolles Gesammtbild, indem er in die zusammenhängende Er-
zählung der weltgeschichtlichen Ereignisse seiner Zeit die Schil-
derung der Länder und ihrer Cultnr einfkocht. Er gedenkt der