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Hellas.
im Leben gesehen zu haben. Sein Anblick hieß ihnen ein Zauber-
mittel gegen die Schmerzen des Daseins. Wir gedenken dabei
der Worte von Goethe's Vater: „Wer einmal in Neapel gewesen
der könne nie ganz unglücklich werden." Das ist die beseligende
Wirkung des wahrhaft Schönen; es gewährt ja die Ueberzeugung
von der Gegenwart und Wirklichkeit einer harmonischen Voll-
endung, die, einmal erschaut, das Herz mit dem Tröste erfüllt,
daß sie auch überall aus Widerspruch, Trübung und Halbheit sich
endlich doch siegreich erheben werde.
Es scheint daß von Phidias' Schülern Alkamenes der be-
gabteste war und auf der Bahn des Meisters selbständig zur
Bildung neuer Götterideale, wie des Ares, des Hephästos, des
Asklepios voranging. Im Giebelfeld zu Olympia stand der Kampf
des Theseus mit dem Kentauren von seiner Hand. Mit besonderer
Liebe hing Phidias an Agorakritos, dem er mit Rath und Thal
bei den Darstellungen der Göttermutter Kybele und der berühmten
Nemesis von Rhamnus zur Seite stand. Kolotes war groß in
Tempelwerken von Gold und Elfenbein. Lykios aus der Schule
Myrou's schuf eine herrliche Freigruppe von Göttern und Heroen,
die dem Kampf von Achilleus und Memnon zuschauten. Kresilas
stellte das plastische Ideal eines Menschen, des Perikles, fest;
Plinius berichtet daß auch dies Standbild den Beinamen des
Olympiers verdient und gezeigt habe wie die Kunst edle Männer
noch edler mache. Er durfte es wagen mit Phidias und Polyklet
wetteifernd eine Amazone zu bilden; seine streitbare Jungfrau er-
schien kraftgestählt und doch mit dem Ausdruck milder Wehmuth,
indem sie den linken Arm hob und nach einer Wunde unter der
Brust den Blick senkte. — Kallimachos konnte sich nicht genug
thuu im Ausfeileu. Demetrios suchte ausnahmsweise in seinen
Porträtbildern das Charakteristische lieber zur Caricatur zu steigern
als es der Harmonie der Schönheit einzusügen. Es bleibt zweifel-
haft welchem dieser Künstler einige erhaltene Werke zuzuweisen
find, wie die meisterlichen Karyatiden des Paudrosions, wie die
auch in ihrer Trümmerhaftigkeit noch so anziehenden Darstellungen
des Opfers einer Siegesfeier am Niketempel mit den durchschim-
merudeu jugendlich elastischen Körperformeu unter der zierlich ge-
falteten Gewandung, oder die Kampfsceneu der Hellenen und Bar-
baren vor demselben Heiligthum.
Neben der athenischen Schule glänzte die argivische; Polyklet,
einst des Phidias Mitschüler, ward hier der Meister. Ihm galt
Hellas.
im Leben gesehen zu haben. Sein Anblick hieß ihnen ein Zauber-
mittel gegen die Schmerzen des Daseins. Wir gedenken dabei
der Worte von Goethe's Vater: „Wer einmal in Neapel gewesen
der könne nie ganz unglücklich werden." Das ist die beseligende
Wirkung des wahrhaft Schönen; es gewährt ja die Ueberzeugung
von der Gegenwart und Wirklichkeit einer harmonischen Voll-
endung, die, einmal erschaut, das Herz mit dem Tröste erfüllt,
daß sie auch überall aus Widerspruch, Trübung und Halbheit sich
endlich doch siegreich erheben werde.
Es scheint daß von Phidias' Schülern Alkamenes der be-
gabteste war und auf der Bahn des Meisters selbständig zur
Bildung neuer Götterideale, wie des Ares, des Hephästos, des
Asklepios voranging. Im Giebelfeld zu Olympia stand der Kampf
des Theseus mit dem Kentauren von seiner Hand. Mit besonderer
Liebe hing Phidias an Agorakritos, dem er mit Rath und Thal
bei den Darstellungen der Göttermutter Kybele und der berühmten
Nemesis von Rhamnus zur Seite stand. Kolotes war groß in
Tempelwerken von Gold und Elfenbein. Lykios aus der Schule
Myrou's schuf eine herrliche Freigruppe von Göttern und Heroen,
die dem Kampf von Achilleus und Memnon zuschauten. Kresilas
stellte das plastische Ideal eines Menschen, des Perikles, fest;
Plinius berichtet daß auch dies Standbild den Beinamen des
Olympiers verdient und gezeigt habe wie die Kunst edle Männer
noch edler mache. Er durfte es wagen mit Phidias und Polyklet
wetteifernd eine Amazone zu bilden; seine streitbare Jungfrau er-
schien kraftgestählt und doch mit dem Ausdruck milder Wehmuth,
indem sie den linken Arm hob und nach einer Wunde unter der
Brust den Blick senkte. — Kallimachos konnte sich nicht genug
thuu im Ausfeileu. Demetrios suchte ausnahmsweise in seinen
Porträtbildern das Charakteristische lieber zur Caricatur zu steigern
als es der Harmonie der Schönheit einzusügen. Es bleibt zweifel-
haft welchem dieser Künstler einige erhaltene Werke zuzuweisen
find, wie die meisterlichen Karyatiden des Paudrosions, wie die
auch in ihrer Trümmerhaftigkeit noch so anziehenden Darstellungen
des Opfers einer Siegesfeier am Niketempel mit den durchschim-
merudeu jugendlich elastischen Körperformeu unter der zierlich ge-
falteten Gewandung, oder die Kampfsceneu der Hellenen und Bar-
baren vor demselben Heiligthum.
Neben der athenischen Schule glänzte die argivische; Polyklet,
einst des Phidias Mitschüler, ward hier der Meister. Ihm galt