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Hellas.
Menschheit sich zu einem neuen Weltalter erhebt, so sieht man
überall einen Hervorgang aus dem Dunkel zum Licht; das Wasser,
Okeanos, erscheint als der Mutterschos aller Dinge, auch als der
Ursprung der Götter, und ihre alterthümlichen Gestalten, Uranos
und Gäa, Himmel und Erde, werden zu Ahnen der später im
Bewußtsein ausgebildeten Persönlichkeiten.
Auch hier sind neben den Priestern die Sänger, die sich von
ihnen ablösen, Träger der neuen Entwickelung; wie Künstler und
Aerzte sind sie überall willkommen wo sie hinwandern, und Reigen-
tanz und Gesang ist die Zierde für das Festmahl der Könige.
Wie sie da die Thaten der Ahnen feierten, boten sich wie von
selbst die Erzeugnisse der Gegenwart zum Einschlagsfaden im
Sagengewebe, wenn ihr herzerfreuendes Lied die Vorbilder des
Lebens hinstellt. Nennt doch Homer schon das neueste Lied das
willkommenste. Der Gesang ward durch das Saiteuspiel auf
der Kithara eingeleitet, und war, wie die Odyssee ausdrücklich be-
zeugt und wie es überall als die erste Stufe der epischen Poesie
gefunden wird, ein einzelnes Abenteuer, ein Hauptereigniß, dessen
Begründung, Verlauf und Ziel leicht darzulegen ist, zumal die
weitern Zusammenhänge ja den Hörern bekannt sind und der
Sänger nur der Mund ist welcher das melodisch ausspricht was
alle wissen. Die Lieder sind von geringem Umfang, sind die an-
schauliche Darstellung des Wirklichen, im Bewußtsein Lebenden,
Erzählung von Handlungen die der Ausdruck einer Idee sind.
Die Charaktere schildert der Sänger durch ihre Thaten und durch
ihre Worte, indem er sie redend einführt, damit sie ihren Sinn,
ihre Empfindung, ihren Willen offenbaren. Die Lieder werden
nicht fürs Lesen, sondern für den mündlichen Vortrag des be-
geisterten kunstverständigen Sängers gedichtet; sie werden nicht
durch die Schrift befestigt, sondern nur dem Gemüth anvertraut
und aus der Erinnerung wieder erzeugt, womit für das Gelernte
wie für das Selbsthervorgebrachte die fortbildende Thätigkeit des
Sängers und die Flüssigkeit des Inhalts wie der Form zusammen-
hängt. Andererseits aber ist die Weltanschauung eine gleiche und
gemeinsame, aus welcher die Individuen noch nicht für sich
heraustreten, und von dem zuerst etwas Vortragenden nehmen die
andern nur auf was ihnen znsagt, sodaß das Persönliche des Dich-
ters, das Subjective, abgeschliffen und nur die vollendete Objec-
tivität der Darstellung erhalten wird. Wie die Thaten in der
Phantasie bewahrt werden sind sie Gesang; den spricht der
Hellas.
Menschheit sich zu einem neuen Weltalter erhebt, so sieht man
überall einen Hervorgang aus dem Dunkel zum Licht; das Wasser,
Okeanos, erscheint als der Mutterschos aller Dinge, auch als der
Ursprung der Götter, und ihre alterthümlichen Gestalten, Uranos
und Gäa, Himmel und Erde, werden zu Ahnen der später im
Bewußtsein ausgebildeten Persönlichkeiten.
Auch hier sind neben den Priestern die Sänger, die sich von
ihnen ablösen, Träger der neuen Entwickelung; wie Künstler und
Aerzte sind sie überall willkommen wo sie hinwandern, und Reigen-
tanz und Gesang ist die Zierde für das Festmahl der Könige.
Wie sie da die Thaten der Ahnen feierten, boten sich wie von
selbst die Erzeugnisse der Gegenwart zum Einschlagsfaden im
Sagengewebe, wenn ihr herzerfreuendes Lied die Vorbilder des
Lebens hinstellt. Nennt doch Homer schon das neueste Lied das
willkommenste. Der Gesang ward durch das Saiteuspiel auf
der Kithara eingeleitet, und war, wie die Odyssee ausdrücklich be-
zeugt und wie es überall als die erste Stufe der epischen Poesie
gefunden wird, ein einzelnes Abenteuer, ein Hauptereigniß, dessen
Begründung, Verlauf und Ziel leicht darzulegen ist, zumal die
weitern Zusammenhänge ja den Hörern bekannt sind und der
Sänger nur der Mund ist welcher das melodisch ausspricht was
alle wissen. Die Lieder sind von geringem Umfang, sind die an-
schauliche Darstellung des Wirklichen, im Bewußtsein Lebenden,
Erzählung von Handlungen die der Ausdruck einer Idee sind.
Die Charaktere schildert der Sänger durch ihre Thaten und durch
ihre Worte, indem er sie redend einführt, damit sie ihren Sinn,
ihre Empfindung, ihren Willen offenbaren. Die Lieder werden
nicht fürs Lesen, sondern für den mündlichen Vortrag des be-
geisterten kunstverständigen Sängers gedichtet; sie werden nicht
durch die Schrift befestigt, sondern nur dem Gemüth anvertraut
und aus der Erinnerung wieder erzeugt, womit für das Gelernte
wie für das Selbsthervorgebrachte die fortbildende Thätigkeit des
Sängers und die Flüssigkeit des Inhalts wie der Form zusammen-
hängt. Andererseits aber ist die Weltanschauung eine gleiche und
gemeinsame, aus welcher die Individuen noch nicht für sich
heraustreten, und von dem zuerst etwas Vortragenden nehmen die
andern nur auf was ihnen znsagt, sodaß das Persönliche des Dich-
ters, das Subjective, abgeschliffen und nur die vollendete Objec-
tivität der Darstellung erhalten wird. Wie die Thaten in der
Phantasie bewahrt werden sind sie Gesang; den spricht der