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Carrière, Moriz
Die Kunst im Zusammenhang der Culturentwickelung und die Ideale der Menschheit: [ein Beitrag zur Geschichte des menschlichen Geistes] (Band 3, Mittelalter ; Abt. 2): Das europäische Mittelalter in Dichtung, Kunst und Wissenschaft — Leipzig, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.33537#0180

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166

Das Mittelalter.

die Zusammenstellung zu einem Ganzen in Prosa, und dies Buch
ward wieder die Quelle für florentiuische Improvisatoren um
poetische Erzählungen daraus zu bilden. Karl selbst tritt zurück,
Roland und Reinold stehen im Vordergrund, kriegerische Frauen,
Zauberer und Liebesgeschichten werden eingeführt. Der Dichter
Pnlci behandelte die abenteuerlichen Uebertreibungen der Vor-
gänger bereits mit Ironie, während Bojardo die Sache wieder
ernst nahm und ein großes Ganzes erstrebte, an dessen riesiges
Bruchstück die geniale Laune Ariost's ihre glänzende Einbildungs-
kraft in heitern Scherzen mit vollendeter Kunst poetischer Unter-
haltuug anknüpfte um im Verliebten Roland das abschließende
Werk zu schaffen, das nebst seinem Gegenpol, dem alten Rolands-
lied, uns zu seiner Zeit wieder beschäftigen wird.

Grundsiige mittelalterlicher Weltanschauung.
Das Mittelalter bezeichnet die Periode zwischen dem Unter-
gang des römischen Reichs und der Wiederbelebung der antiken
Cultur in der Neuzeit, für die europäische Menschheit selbst ein
Alter in der Mitte zwischen kindlicher Empfänglichkeit oder sinn-
licher Natnrkraft und Schönheit und zwischen geistiger Reife, eine
Stufe der Jugend in welcher sich die körperliche Stärke und die
seelenhafte Innigkeit der Empfindung in abenteuerlichen und schwär-
merischen Ansbrüchen zeigen, und das Gemüth, der Idealismus
des Gefühls, die Phantasie als treibende Mächte des Lebens er-
scheinen. Wie noch immer in der Entwickelung des einzelnen, so
gesellt sich nun in den Nationen der Waffenlust und dein frischen
Muth eine träumerische Sehnsucht, in welcher die männliche Kraft
der weiblichen Milde sich hingibt. Können auch Geist und Ge-
müth nicht ohne einander sein, so dürfen wir doch das Gemüths-
ideal vornehmlich als weiblich, das des Geistes als männlich be
zeichnen, und so treten folgerichtig die Frauen au die erste Stelle
in der ritterlichen Gesellschaft, die ebenso ihre Poesie im Miune-
dienst findet, wie die Liebe selbst zur Seele der Dichtung wird
und in der Religion des Mariencultus dem Zuge des Herzens
 
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