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AUS MEINEM SAMMLERLEBEN

Von Julius Aufseesser
Ich fand eines Tages — so gegen 18go — bei meinem täg-
lichen Passieren des mittleren Teiles der Lützowstraße
das Schaufenster und den Laden einer Schlächterei, die
auch für meines Leibes Notdurft sorgte, in eine veritable
Kunsthandlung verwandelt. Und noch mehr, die zur Schau
gestellten Stücke wiesen eine ganz vorzügliche Qualität
auf, wenn sie auch bunt zusammengewürfelt dastanden,
aber das Ganze, von außen betrachtet, ließ doch ein gutes
künstlerisches Empfinden und ein gewisses Verständnis
erkennen.
Trotzdem konnte ich mich einer leichten Verstimmung
nicht erwehren, daß die mir lieb gewordenen Prager
Schinken und die andern damit verwandten Erzeugnisse
so plötzlich verschwunden und daß an ihre Stelle ganz
unmaterieller Ersatz gerückt war, denn Kunsthandlungen
gab es in Berlin schon mehr als genug. Jedoch es wurde
der Versuch, mich mit der vollzogenen Tatsache abzu-
finden, durch den Umstand unterstützt, daß es eben doch
eine Kunsthandlung war, und daß unter den ausgestellten
Kunstblättern einige schon auf den ersten Blick mein
Interesse erregt hatten. Grund genug also, meine alten
Beziehungen zur Schlächterei durch solche zu dem Kunst-
händler alsogleich zu verjüngen. So betrat ich das Land
der Verheißungen mit hochgespanntem Interesse, aber
in jener vornehmen Zurückhaltung, die — wenn sie auch
gewissen Erwartungen innerlich gegenübersteht — doch
in äußerer Haltung nichts verspricht.
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