HANDWERK UND MASCHINE
Von Lewis Mumford
Von der menschlichen Seite betrachtet, liegt der wesent-
liche Unterschied, der von den Anhängern des mecha-
nischen Prinzips meist übersehen wird, in dem Umstand,
daß die Arbeit an der Maschine Frondienst, das Handwerk
aber eine Lebensform ist. Die Verrichtungen bei den
mechanischen Berufen sind ihrer Natur nach Sklaven-
dienst, denn sie zwingen den Arbeiter, das von der
Maschine festgesetzte Tempo einzuhalten und dem von
dem Zeichner festgesetzten Modell peinlich nachzugehen,
so daß er nur das ausführende Instrument eines fremden
Willens ist, während die handwerklichen Berufe relativ
frei sind, insofern sie dem Arbeiter eine gewisse Auswahl
zwischen verschiedenen Typen und Arbeitsmethoden
lassen. Diese relative Freiheit ergibt sich aus der Ver-
schiedenheit der dabei angewandten Methoden, und gerade
solche ästhetischen Unterschiede lassen uns vielleicht am
besten erkennen, wie bei der Architektur der Zukunft
das individuelle und das mechanische Element richtig zu
verteilen wäre.
Das ästhetische Moment, das speziell im Handwerk zu
finden ist, läßt sich meiner Meinung nach durch ein
Plus von Vitalität erklären. Dem Zimmermann genügt
die glatt gehobelte Oberfläche ebensowenig wie dem
Steinmetz die glatte Steinfläche und wie dem Maler das
bloße Streichen einer kahlen Wand: nein, jeder Hand-
werker bearbeitet seinen rein praktischen Gegenstand
mit der größten Sorgfalt, bis das Säulenkapitäl ein reicher
Kranz von Blättern, die gewölbte Decke ein Himmelstor
Von Lewis Mumford
Von der menschlichen Seite betrachtet, liegt der wesent-
liche Unterschied, der von den Anhängern des mecha-
nischen Prinzips meist übersehen wird, in dem Umstand,
daß die Arbeit an der Maschine Frondienst, das Handwerk
aber eine Lebensform ist. Die Verrichtungen bei den
mechanischen Berufen sind ihrer Natur nach Sklaven-
dienst, denn sie zwingen den Arbeiter, das von der
Maschine festgesetzte Tempo einzuhalten und dem von
dem Zeichner festgesetzten Modell peinlich nachzugehen,
so daß er nur das ausführende Instrument eines fremden
Willens ist, während die handwerklichen Berufe relativ
frei sind, insofern sie dem Arbeiter eine gewisse Auswahl
zwischen verschiedenen Typen und Arbeitsmethoden
lassen. Diese relative Freiheit ergibt sich aus der Ver-
schiedenheit der dabei angewandten Methoden, und gerade
solche ästhetischen Unterschiede lassen uns vielleicht am
besten erkennen, wie bei der Architektur der Zukunft
das individuelle und das mechanische Element richtig zu
verteilen wäre.
Das ästhetische Moment, das speziell im Handwerk zu
finden ist, läßt sich meiner Meinung nach durch ein
Plus von Vitalität erklären. Dem Zimmermann genügt
die glatt gehobelte Oberfläche ebensowenig wie dem
Steinmetz die glatte Steinfläche und wie dem Maler das
bloße Streichen einer kahlen Wand: nein, jeder Hand-
werker bearbeitet seinen rein praktischen Gegenstand
mit der größten Sorgfalt, bis das Säulenkapitäl ein reicher
Kranz von Blättern, die gewölbte Decke ein Himmelstor