Lewis Mumford: Handwerk und Maschine
107
wird, bis jedes Detail die Gebilde seiner Phantasie zum
Ausdruck bringt. Sein Werk ist buchstäblich von ihm
erfüllt, wie im biblischen Sinne ein Körper von einem
ihm vertrauten Geiste erfüllt ist. Gelegentlich wird diese
liebevolle Behandlung eines Gegenstandes weiter gehen,
als es sich mit der ästhetischen Wirkung auf den Be-
schauer verträgt; das kann ihm aber nicht die Freude
verkümmern; es treibt ihn unaufhaltsam, jede leere Stelle
auszufüllen, denn die Kunst des Holzschnitzers und des
Steinmetzen ist, wenn sie mit freiem Geiste betrieben
wird, eine menschenwürdige und erfreuliche Lebens-
aufgabe. Wir haben uns allmählich so sehr an den In-
dustrialismus gewöhnt, daß uns der Glanz und Überfluß
des Handwerklichen manchmal ein wenig verwirrt: aber
wenn beim Anblick eines mittelalterlichen Kirchenportals
oder einer ostindischen Hausfassade unser Genuß durch
allzu reiche Verschlingungen der Arabesken beeinträchtigt
wird, so sollten wir diese Überfülle der Phantasie und
Schaffensfreude desto höher einschätzen. Wenn man zu-
gibt, daß die Kunst Selbstzweck ist, warum soll sie es nicht
ebenso für den Ausführenden wie für den Genießenden
sein? Ein großer Teil des Handwerks hat seine Existenz-
berechtigung, wenn es den Stempel eines freudigen Geistes
trägt.
Wenn wir ein ideales Erzeugnis des Kunsthandwerks,
wie einen florentinischen Tisch aus dem 16. Jahrhundert
mit einem idealen Erzeugnis maschineller Kunst — sagen
wir, einem modernen Badezimmer—vergleichen, so offen-
bart sich der starke Gegensatz ihrer Vorzüge und Mängel.
Eine der ersten Bedingungen für eine gute Maschinen-
arbeit ist die Möglichkeit, alle Konsequenzen im vorhinein
107
wird, bis jedes Detail die Gebilde seiner Phantasie zum
Ausdruck bringt. Sein Werk ist buchstäblich von ihm
erfüllt, wie im biblischen Sinne ein Körper von einem
ihm vertrauten Geiste erfüllt ist. Gelegentlich wird diese
liebevolle Behandlung eines Gegenstandes weiter gehen,
als es sich mit der ästhetischen Wirkung auf den Be-
schauer verträgt; das kann ihm aber nicht die Freude
verkümmern; es treibt ihn unaufhaltsam, jede leere Stelle
auszufüllen, denn die Kunst des Holzschnitzers und des
Steinmetzen ist, wenn sie mit freiem Geiste betrieben
wird, eine menschenwürdige und erfreuliche Lebens-
aufgabe. Wir haben uns allmählich so sehr an den In-
dustrialismus gewöhnt, daß uns der Glanz und Überfluß
des Handwerklichen manchmal ein wenig verwirrt: aber
wenn beim Anblick eines mittelalterlichen Kirchenportals
oder einer ostindischen Hausfassade unser Genuß durch
allzu reiche Verschlingungen der Arabesken beeinträchtigt
wird, so sollten wir diese Überfülle der Phantasie und
Schaffensfreude desto höher einschätzen. Wenn man zu-
gibt, daß die Kunst Selbstzweck ist, warum soll sie es nicht
ebenso für den Ausführenden wie für den Genießenden
sein? Ein großer Teil des Handwerks hat seine Existenz-
berechtigung, wenn es den Stempel eines freudigen Geistes
trägt.
Wenn wir ein ideales Erzeugnis des Kunsthandwerks,
wie einen florentinischen Tisch aus dem 16. Jahrhundert
mit einem idealen Erzeugnis maschineller Kunst — sagen
wir, einem modernen Badezimmer—vergleichen, so offen-
bart sich der starke Gegensatz ihrer Vorzüge und Mängel.
Eine der ersten Bedingungen für eine gute Maschinen-
arbeit ist die Möglichkeit, alle Konsequenzen im vorhinein