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Verlag Bruno Cassirer
Almanach: auf das Jahr ... — 1926

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Scheffler, Karl: Slevogts Faust
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https://doi.org/10.11588/diglit.70233#0140
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SLEVOGTS FAUST
Von Karl Scheffler
Mancher Bewunderer des Illustrators Max Slevogt hat
es als ausgemacht angenommen, daß der Phantasie
dieses Künstlers zwar Indianerabenteuer lägen, daß seine
Zeichenkunst den Humoren Don Quijotes, der Opern-
romantik Don Juans und den Wundern der deutsch-
morgenländischen Märchenwelt gewachsen sei, ja daß sie
sich sogar mit Glück der Gestalten der Ilias bemächtigt
hätte, daß sie jedoch einer Dichtung von dem geistigen
Gehalt des „Faust“ gegenüber versagen müsse, und daß
Slevogt darum niemals darauf verfallen würde, den „Faust“
zu illustrieren. Und nun macht Slevogt diese Überzeugung
zuschanden: naiv und kühn hat er als Illustrator auch
nach dem „Faust' gegriffen. Nicht nach dem drama-
tischeren ersten Teil der Tragödie, der bereits von Cor-
nelius, Delacroix und anderen illustriert worden ist,
sondern sogar zum zweiten Teil, der bisher für unillustrier-
bar gehalten worden ist, an dem sich noch kein deutscher
Zeichner anders als im Vorübergehen gewagt hat, der
noch heute im Geruch steht, nur Goetheforschern ganz
zugänglich zu sein, und von dem in den Kreisen der Ge-
bildeten die Meinung im Schwange ist, er sei ohne
Kommentar überhaupt nicht zu verstehen. Den zweiten
Teil der Fausttragödie nur zu lesen, aufmerksam von vorn
bis hinten: das erscheint dem ehrgeizigen deutschen Leser
als eineT at, wozu man sich rüsten müsse wie zu einer langen
Reise. Der Deutsche, der diese Aufgabe einmal im Leben
absolviert hat, denkt höher von sich selbst, er sonnt sich
im Tiefsinn der Goethischen Gedanken und glaubt weiser
 
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