Karl Scheffler: Slevogts Faust
H5
geworden zu sein.. Da ist unschwer die Betroffenheit
solcher sich selbst feierlich nehmender Leser vorstellbar,
wenn sie nun sehen, mit welcher Unbefangenheit der
große Illustrator Slevogt an die selbstgewählte Aufgabe
herantritt, wie es ihm scheinbar spielend gelingt, das Ver-
wickelte heiter-ernst und anmutig-verwegen aufzulösen,
wie er im Gedanklichen die darin verborgene sinnliche
Fülle findet, wie er aus Abgründen der Abstraktion schöne
Natur heraufholt, wie sich ihm Offenbarungen der
Lebensweisheit zu Gestalten verwandeln, und wie er eine
ganze moderne Schöpfungsgeschichte auf eine hell be-
leuchtete Bühne hebt, das Poetische optisch, die Ima-
gination greifbar, das Gedankliche sinnlich vorstellbar
machend. Ideen verwandeln sich in Bilder; Gestalten,
die Träger großer Symbole sind, werden vom Zeichner
beschworen, wie Faust selbst Helena beschwört, bis sie
leben und atmen. Ohne realistische Aufdringlichkeit. Die
erfundenen Wirklichkeiten Slevogts werden von Arabesken
und Ranken getragen, seine Gestalten nehmen alle auch
teil an einem Spiel, in dem das Symbol des Dichters noch
einmal symbolisiert wird: dem Illustrator wird die ganze
Tragödie zu einer romantisch-klassischen, zu einer nor-
disch-antiken, christlich-heidnischen Walpurgisnacht.
Mit den Instinkten seiner glücklichen Natur hat Slevogt
rasch das von Goethe gewollte Opernhafte der Tragödie
erfaßt. Nicht nur das Opernhafte in den Maskenzügen
und Zauberkünsten, im Karnevalstreiben, in den nächt-
lichen Szenen am Peneios und in den Engelschören,
sondern das Opernhafte selbst in dem, was man das Bi-
blische des großen Dichtwerkes nennen könnte. In Sle-
vogts Zeichnungen erscheint d^r Gesang, der vielstimmig
8*
H5
geworden zu sein.. Da ist unschwer die Betroffenheit
solcher sich selbst feierlich nehmender Leser vorstellbar,
wenn sie nun sehen, mit welcher Unbefangenheit der
große Illustrator Slevogt an die selbstgewählte Aufgabe
herantritt, wie es ihm scheinbar spielend gelingt, das Ver-
wickelte heiter-ernst und anmutig-verwegen aufzulösen,
wie er im Gedanklichen die darin verborgene sinnliche
Fülle findet, wie er aus Abgründen der Abstraktion schöne
Natur heraufholt, wie sich ihm Offenbarungen der
Lebensweisheit zu Gestalten verwandeln, und wie er eine
ganze moderne Schöpfungsgeschichte auf eine hell be-
leuchtete Bühne hebt, das Poetische optisch, die Ima-
gination greifbar, das Gedankliche sinnlich vorstellbar
machend. Ideen verwandeln sich in Bilder; Gestalten,
die Träger großer Symbole sind, werden vom Zeichner
beschworen, wie Faust selbst Helena beschwört, bis sie
leben und atmen. Ohne realistische Aufdringlichkeit. Die
erfundenen Wirklichkeiten Slevogts werden von Arabesken
und Ranken getragen, seine Gestalten nehmen alle auch
teil an einem Spiel, in dem das Symbol des Dichters noch
einmal symbolisiert wird: dem Illustrator wird die ganze
Tragödie zu einer romantisch-klassischen, zu einer nor-
disch-antiken, christlich-heidnischen Walpurgisnacht.
Mit den Instinkten seiner glücklichen Natur hat Slevogt
rasch das von Goethe gewollte Opernhafte der Tragödie
erfaßt. Nicht nur das Opernhafte in den Maskenzügen
und Zauberkünsten, im Karnevalstreiben, in den nächt-
lichen Szenen am Peneios und in den Engelschören,
sondern das Opernhafte selbst in dem, was man das Bi-
blische des großen Dichtwerkes nennen könnte. In Sle-
vogts Zeichnungen erscheint d^r Gesang, der vielstimmig
8*