A. Vollard: Aus „Degas'
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der Garaus gemacht zu werden, für den Anfang wäre ich
mit etwas Schrot zufrieden.
Ich: Aber malt denn Renoir nicht auch im Freien?
Degas: Renoir, das ist etwas anderes; der kann machen,
was er will. Haben Sie schon eine Katze gesehen, die mit
Wollknäueln spielt? . .. Ich werde Ihnen einen Renoir
zeigen, den ich im Atelier in Paris habe; da sind Töne
von einer Schärfe drin . . .
Degas wurde, plötzlich nachdenklich:
Ja, mit Renoir bin ich jetzt ganz auseinander1)!
__ *
1) Es ist behauptet worden, daß Renoir sich mit der Kunst
von Degas nicht einverstanden erklären konnte. Als ich eines
Tages Renoir auf den Boulevards vor einer Affiche von Lautrec
traf, sagte ich: Manche Leute spielen Lautrec gegen Degas
aus . . .
Renoir: Was ist das für ein Unsinn! Lautrec hat sehr hüb-
sche Affichen gezeichnet, aber der Abstand! . . . Sehen Sie mal,
beide haben Bordellfrauenzimmer gemacht, aber eine Welt
trennt sie voneinander. Lautrec stellt eine Dirne dar; bei Degas
ist es — der Geist der Dirne, es ist die Essenz aller Dirnen in
einer einzelnen ausgedrückt. Und dann sind sie bei Lautrec
lasterhaft, bei Degas niemals. Sie kennen ja „Den Geburtstag
derPrinzipalin“und soundso viele andere Szenen gleichen Genres.
Wenn man ein Bordell malt, so ist es oft pornographisch,
aber immer verzweifelt traurig. Nur Degas war es vorbehalten,
in solch ein Sujet zugleich den Ausdruck der Sinnenfreude und
den Stil eines ägyptischen Flachreliefs zu legen. Dieser gewisser-
maßen religiöse, keusche Charakter ist es, der sein Werk auf
eine derartig hohe Stufe stellt, und er wird noch größer, wenn
er die Kokotte darstellt.
Ich: Ich habe einmal in einem Schaufenster der Avenue de
l’Opera eine „Frau im Tub“ von Degas gesehen und davor einen
Mann, der wohl ein Maler war; denn mit dem Daumen zeich-
nete er einen Umriß in die Luft. Dabei hörte ich ihn sagen:
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der Garaus gemacht zu werden, für den Anfang wäre ich
mit etwas Schrot zufrieden.
Ich: Aber malt denn Renoir nicht auch im Freien?
Degas: Renoir, das ist etwas anderes; der kann machen,
was er will. Haben Sie schon eine Katze gesehen, die mit
Wollknäueln spielt? . .. Ich werde Ihnen einen Renoir
zeigen, den ich im Atelier in Paris habe; da sind Töne
von einer Schärfe drin . . .
Degas wurde, plötzlich nachdenklich:
Ja, mit Renoir bin ich jetzt ganz auseinander1)!
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1) Es ist behauptet worden, daß Renoir sich mit der Kunst
von Degas nicht einverstanden erklären konnte. Als ich eines
Tages Renoir auf den Boulevards vor einer Affiche von Lautrec
traf, sagte ich: Manche Leute spielen Lautrec gegen Degas
aus . . .
Renoir: Was ist das für ein Unsinn! Lautrec hat sehr hüb-
sche Affichen gezeichnet, aber der Abstand! . . . Sehen Sie mal,
beide haben Bordellfrauenzimmer gemacht, aber eine Welt
trennt sie voneinander. Lautrec stellt eine Dirne dar; bei Degas
ist es — der Geist der Dirne, es ist die Essenz aller Dirnen in
einer einzelnen ausgedrückt. Und dann sind sie bei Lautrec
lasterhaft, bei Degas niemals. Sie kennen ja „Den Geburtstag
derPrinzipalin“und soundso viele andere Szenen gleichen Genres.
Wenn man ein Bordell malt, so ist es oft pornographisch,
aber immer verzweifelt traurig. Nur Degas war es vorbehalten,
in solch ein Sujet zugleich den Ausdruck der Sinnenfreude und
den Stil eines ägyptischen Flachreliefs zu legen. Dieser gewisser-
maßen religiöse, keusche Charakter ist es, der sein Werk auf
eine derartig hohe Stufe stellt, und er wird noch größer, wenn
er die Kokotte darstellt.
Ich: Ich habe einmal in einem Schaufenster der Avenue de
l’Opera eine „Frau im Tub“ von Degas gesehen und davor einen
Mann, der wohl ein Maler war; denn mit dem Daumen zeich-
nete er einen Umriß in die Luft. Dabei hörte ich ihn sagen: