ROM
29°
ter den verschiedensten Vorwänden. Auch der Philosoph Cartesius
befestigte sie nicht wenig im neuen Glauben. Katholisch aus Überzeu-
gung, unterwies er die junge Königin nicht nur in den Grundsätzen
der Philosophie, sondern auch in der katholischen Religion und bezahlte
seine Tätigkeit mit dem Leben. Die Königin, frühes Aufstehen gewohnt,
liess den Gelehrten, der sehr zarter Konstitution war, schon um fünf
Uhr früh in ihre Ribliothek zu philosophischen Gesprächen kommen.
Cartesius, des dortigen Klimas ungewohnt, ‘erkältete sich hei diesen
Stunden, bekam eine Lungenentzündung und starb im Verlauf dreier
Tage in Stockholm. Er war der Apostel des Katholizismus bei gekrön-
ten Häuptern; auch die Pfalzgräfin Elisabeth und Herzog Philipp von
England hat er zum katholischen Glauben bekehrt.
Alexander VII. war auf den Übertritt der Königin ungeheuer stolz,
er hielt ihn für einen Erfolg seiner eignen klugen Politik und gab die-
ser Überzeugung auf einem Konsistorium Ausdruck, bei dem auch der
Kardinal de Retz zugegen war. Der kluge Franzose, der wusste, dass
der Papst gar nichts dazu getan hat, betont Alexanders Eitelkeit in sei-
nen Schriften. In Vers und Prosa verkündeten die Jesuiten ihren Tri-
umph, es fehlte jedoch nicht an Kritikern, die diese „heroische Tat“
der Königin als ziemlich wirkungslos für die Kirche ansahen, um so
mehr, als man aus Freude über Christinens Übertritt in Rom dem ka-
tholischen Polen zu helfen vergass, das damals von schwedischen Trup-
pen verwüstet wurde. Ein Dichter betonte, der Papst gewinne in Chri-
stine zwar ein Schäfchen, verliere aber eine ganze Hei'de in Polen.
Christinens Glaube war durchaus nicht sehr fest; ihrer ganzen Art nach
neigte die Königin vielmehr zur Skepsis als zur dogmatischen Religion.
„Elle connut tout et crut rien,“
sagt ein Dichter im XVIII. Jahrhundert mit um so grösserem Recht von
ihr, als sie, eine sensible Natur, auf äusseren Einfluss schnell reagierte.
Als der Jesuit Fazzio in Rom ihr zuviel Moral predigte, liess sie ihm
melden, er verliere seine Zeit mit ihr und gebe sich vergebliche Mühe,
eine Heilige aus ihr zu machen; „sie halte sich dafür für nicht tugend-
haft genug, sei aber auch nicht verlogen genug, um in einem bessern
Licht erscheinen zu wollen“.
Ihr Verzicht auf den Thron, ihr Übertritt zum Katholizismus, das
Ä Verlassen der Heimat waren viel eher der Ausfluss eines phantastischen
Gemütes als das Ergebnis tiefer religiöser Grundsätze. Der Thron, die
Minister, Regierungssorgen, das Leben unter beständiger Kontrolle aga-
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ter den verschiedensten Vorwänden. Auch der Philosoph Cartesius
befestigte sie nicht wenig im neuen Glauben. Katholisch aus Überzeu-
gung, unterwies er die junge Königin nicht nur in den Grundsätzen
der Philosophie, sondern auch in der katholischen Religion und bezahlte
seine Tätigkeit mit dem Leben. Die Königin, frühes Aufstehen gewohnt,
liess den Gelehrten, der sehr zarter Konstitution war, schon um fünf
Uhr früh in ihre Ribliothek zu philosophischen Gesprächen kommen.
Cartesius, des dortigen Klimas ungewohnt, ‘erkältete sich hei diesen
Stunden, bekam eine Lungenentzündung und starb im Verlauf dreier
Tage in Stockholm. Er war der Apostel des Katholizismus bei gekrön-
ten Häuptern; auch die Pfalzgräfin Elisabeth und Herzog Philipp von
England hat er zum katholischen Glauben bekehrt.
Alexander VII. war auf den Übertritt der Königin ungeheuer stolz,
er hielt ihn für einen Erfolg seiner eignen klugen Politik und gab die-
ser Überzeugung auf einem Konsistorium Ausdruck, bei dem auch der
Kardinal de Retz zugegen war. Der kluge Franzose, der wusste, dass
der Papst gar nichts dazu getan hat, betont Alexanders Eitelkeit in sei-
nen Schriften. In Vers und Prosa verkündeten die Jesuiten ihren Tri-
umph, es fehlte jedoch nicht an Kritikern, die diese „heroische Tat“
der Königin als ziemlich wirkungslos für die Kirche ansahen, um so
mehr, als man aus Freude über Christinens Übertritt in Rom dem ka-
tholischen Polen zu helfen vergass, das damals von schwedischen Trup-
pen verwüstet wurde. Ein Dichter betonte, der Papst gewinne in Chri-
stine zwar ein Schäfchen, verliere aber eine ganze Hei'de in Polen.
Christinens Glaube war durchaus nicht sehr fest; ihrer ganzen Art nach
neigte die Königin vielmehr zur Skepsis als zur dogmatischen Religion.
„Elle connut tout et crut rien,“
sagt ein Dichter im XVIII. Jahrhundert mit um so grösserem Recht von
ihr, als sie, eine sensible Natur, auf äusseren Einfluss schnell reagierte.
Als der Jesuit Fazzio in Rom ihr zuviel Moral predigte, liess sie ihm
melden, er verliere seine Zeit mit ihr und gebe sich vergebliche Mühe,
eine Heilige aus ihr zu machen; „sie halte sich dafür für nicht tugend-
haft genug, sei aber auch nicht verlogen genug, um in einem bessern
Licht erscheinen zu wollen“.
Ihr Verzicht auf den Thron, ihr Übertritt zum Katholizismus, das
Ä Verlassen der Heimat waren viel eher der Ausfluss eines phantastischen
Gemütes als das Ergebnis tiefer religiöser Grundsätze. Der Thron, die
Minister, Regierungssorgen, das Leben unter beständiger Kontrolle aga-