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Christ, Karl
Die altfranzösischen Handschriften der Palatina: ein Beitrag zur Geschichte der Heidelberger Büchersammlungen und zur Kenntnis der älteren französischen Literatur — Leipzig, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.13403#0036
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— 22 —

auf die lehrhafte Epistre quo Othea, deesse de prudence, envoy a
aHector de Troye der Christine de Pisan hin. Daß aber auch
die Bezeichnung Exhortations spirituelles keine willkürliche Prägung
ist, zeigt der Anfang einer anderen Handschrift der Epistre, der einzigen,
die sich in Deutschland befindet, des Cod. membr. I 119 der Herzog-
lichen Bibliothek in Gotha. *) Hier geht dem Text ein Register voraus,
das in fünf sachliche Gruppen geordnete Hinweise auf den Inhalt gibt,
mit dem Anfang: La table de ce livre demonstre le nombre des chappitres
dont on vouldra lire. Si est la premiere partie de ceste [table] de exhor-
tacions espiritueles. Et theos en grec est autant a dire en franQois
comme dieu, et logos sermo, dont theologie est a dire sermon de dieu. Die
Epistre beginnt dann nach Schluß des Registers sogleich mit: Othea,
deesse de prudence, | Qui adresse les bons en vaillance (7r) ohne die
Widmung Christinens an den Herzog Ludwig von Orleans (Tres haulte fleur
par le monde louee) und ohne die sonst übliche Rubrik: Cy commence
l'epistre que Othea la deesse envoya a Hector de Troye, quant il estoit en
l'aage de quinze ans. Dieses Register, besonders seine weitschweifige
Ankündigung, der inhaltlich wenig besagende Ausdruck „Exhortacions
espiritueles", der in der Epistre keine Stütze findet, die unangebrachte
Glosse, machen durchaus den Eindruck einer späteren Zufügung flan-
drischer Schreiber, die ihre Handschriften mit langatmigen Titeln und
Registern einzuleiten pflegten. Mit dem ursprünglichen Text hat es
sicher nichts zu tun. Eine ähnliche Handschrift aber muß den Verfassern
des Inventars von 1610 vorgelegen haben. Die kurfürstlichen Räte,
bei denen man kein großes Verständnis für französische Literatur
voraussetzen kann, und die sich nach eignem Zeugnis ihres Auftrags
„in großer eihl" entledigten,2) haben zunächst den Inhalt der Hand-
schrift geprüft und, da sie keine Titelrubrik fanden, dem Register die
Worte „Exhortations spirituelles", die nur als Ueberschrift für dessen
erste Gruppe gilt, entnommen, dann bei Beschreibung des Einbandes
die äußere, von sachverständigerer Hand herrührende Bezeichnung
hinzugefügt. Die naheliegende Vermutung, daß die gothaer Handschrift
der vorschollene Palatinus sei, läßt sich leider nicht zur Gewißheit
erheben.3) Der schöne Pergamentcodex mit seinen hundert Miniaturen

>) Herrn Geh. Hofrat Prof. Dr. Ehwald bin ich für Mitteilungen über die
Handschrift und ihre Sendung an die Königliche Bibliothek in Berlin zu
Danke verpflichtet. — Eine eingehendere Beschreibung findet sich bereits bei
Fr. Jacobs und F. A. Ukert, Beiträge zur älteren Literatur oder Merkwürdigkeiten
der Bibliothek zu Gotha. Leipzig 1835—38. Bd. II, 161 ff.

*) S. die Beschreibung des Inventars bei Wille, Pfälzer Handschriften, S. 122.

3) Eine Untersuchung, üb das Register des Gothanns in andern der zahl-
reichen Handschriften wiederkehrt, würde, selbst wenn sie zu einem negativen
Ergebnis fiiliren sollte, nicht völlig beweisend sein, da verwandte Handschriften
verloren gegangen sein können. Die Beschreibungen der Handschriften Paris
Bibl. Nat frang, Ü04, G(l6, 648, 1185, 1180, 1 «44, 12438, 15214, 2298S, 25559,
Xonv. acq. «458, 7518, Brüssel 4374, 9392, '.15511, 1 1 102, 1 1103, 1 121!), Chantilly
495, 496, Lille 391, 392, Rom Vat. Reg. 1323 enthalten keinen Hinweis auf
ein Register, doch könnte er bei der Kürze der Angaben unterblieben sein. —
Es sei liier bemerkt, daß der Gothanns die ursprüngliche Fassung Chrlstinens
 
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