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RÖMISCHE GRABDENKMÄLER DES BAROCK
RÖMISCHE GRABDENKMÄLER DES BAROCK
Von ANGELO LIPINSKY
Die Abbildungen nach Photographien von Anderson
TAem kunstfreudigen Romreisenden bringt der Besuch römischer Barockkirchen stets
eine Fülle interessanter Überraschungen, ganz besonders wenn er zum ersten Male
die Ewige Stadt betritt und bereits die großen Eindrücke aus den monumentalen Über-
resten des alten Roms in sich aufgenommen, mit ehrfürchtiger Bewunderung die Ent-
wicklung der frühchristlichen und mittelalterlichen Kunst verfolgt hat und mit staunen-
den Blicken die prunkenden Kraftleistungen der Renaissance bewunderte.
Auf den Grabmälern aller Zeiten spielt die Darstellung des Verstorbenen selbstver-
ständlich die Hauptrolle. Griechen, Etrusker und Römer haben auf diesen Gebieten Vor-
bildliches geleistet. Man denke nur an die hervorragenden Denkmäler des Friedhofes
von Hagia Triada in Athen, an die Tonplastiken der Etrusker aus Caere, Vulci usw., an
die römischen Porträts auf den Gräbern an den antiken Heerstraßen. Meistens wurde der
Tote idealisiert dargestellt. Die Idealisierung ergab sich aus der Tatsache, daß der Be-
treffende meistens erst nach seinem Ableben wiedergegeben wurde. Die fabelhafte Por-
trätkunst der Römer, besonders zur Zeit der Republik und unter den ersten Kaisern,
schuf für die Grabmonumente Köpfe von außerordentlicher Lebenswahrheit. Da viele
vornehme Römer die Gräber bereits zu Lebzeiten vorbereiteten, so läßt sich die Lebendig-
keit dieser Bildwerke leicht erklären.
Die Grabplatten des Mittelalters zeigen den Verstorbenen in roher Konturzeichnung —
später in Flachrelief. Als Vorläuferin der Renaissance gibt die italienische Spätgotik be-
reits die Figur des Toten auf einem Katafalk unter einem Baldachin liegend wieder. Die
Renaissance als neue Geistesströmung lehnt sich an die alte römische Überlieferung, über-
nimmt die antiken Architekturformen und bildet mit den Gedanken des vorhergehenden
Jahrhunderts seine großzügige vornehme Kunst. — Denkmäler wie jene Sixtus IV. und
Innocentius VIII. von Pollaiolo, sowie eine große Anzahl anderer Quattrozentisten ge-
hören zu den hervorragendsten dieser Periode. —
Wenn wir uns der Betrachtung römischer Barockdenkmäler hingeben, wie sie zu Hun-
derten in den Kirchen Roms sich befinden, so müssen wir zunächst einmal klarstellen,
worin sich überhaupt diese beiden Kunstäußerungen unterscheiden. Der Gegensatz ist
außerordentlich.
Das Grabmal der Renaissance ist ein völlig in sich abgeschlossenes Ganzes. In der
frühen Zeit meistens rechteckig begrenzt, später reicher gegliedert, stellt es durchwegs
den Toten auf einem Paradebette dar, oft in seinen Ornamenten an klassische Sarkophage
erinnernd. Eine große Tafel, meistens unter dem Sarge, oft auch an demselben, trägt
in klassischen Schriftzügen die Inschrift. Ein streng architektonisch gegliederter Rahmen
bildet den Abschluß, sich überall seiner Umgebung anpassend. Eine spätere Zeit gliedert
das Ganze noch reicher, ohne aber aus den strengen Proportionen herauszutreten. Über
dem Verstorbenen, in einer Nische, erscheint die Mutter Gottes mit dem segnenden Jesus-
kinde. In den einrahmenden Pilastern werden Nischen ausgespart, die die Heiligen auf-
nehmen, die der Verstorbene besonders verehrte, und deren Fürbitte er sich in der Grab-
schrift anempfiehlt. Das Motiv der Mutter Gottes ist jedoch nicht als ein neuer Gedanke
aufzufassen. Es ist vielmehr die Wiederaufnahme einer Sitte des Mittelalters. Einige
Gräber der Kosmaten in Rom legen hierfür Zeugnis ab. Nehmen wir nun aber zum Ver-
gleich das Denkmal eines Barockpapstes, so tritt uns der Gegensatz in seiner ganzen
Wucht entgegen. Von der großartigen Ruhe, die über den vorher erwähnten Bronzegrab-
mälern von Pollaiolo herrscht, ist keine Spur mehr vorhanden. Das Barock schafft hierin
eine große Wandlung. Wir sehen den Toten nicht mehr als solchen. Der Künstler führt
ihn uns vor, wie er als Papst segnet, als Condottiere in seiner Rüstung steckt, als Bischof
in einer Nische steht und sich dem Altar zuwendet. Kurz, man versuchte den Darge-
stellten so lebendig wie nur irgend möglich vorzuführen. Das Barock kannte kein zu
Lebzeiten hergestelltes Grabmal. So zeigen die meisten in dieser Zeit geschaffenen Por-
träts stark idealisierte Charaktere. Die Bewegungen der Figuren werden noch durch die
Gesten der Hände unterstützt. Der Romane hat es verstanden, dieses meisterlich zu lösen,
und so wird die Gestikulation zu einem der wesentlichsten Faktoren der Barockkunst.
RÖMISCHE GRABDENKMÄLER DES BAROCK
RÖMISCHE GRABDENKMÄLER DES BAROCK
Von ANGELO LIPINSKY
Die Abbildungen nach Photographien von Anderson
TAem kunstfreudigen Romreisenden bringt der Besuch römischer Barockkirchen stets
eine Fülle interessanter Überraschungen, ganz besonders wenn er zum ersten Male
die Ewige Stadt betritt und bereits die großen Eindrücke aus den monumentalen Über-
resten des alten Roms in sich aufgenommen, mit ehrfürchtiger Bewunderung die Ent-
wicklung der frühchristlichen und mittelalterlichen Kunst verfolgt hat und mit staunen-
den Blicken die prunkenden Kraftleistungen der Renaissance bewunderte.
Auf den Grabmälern aller Zeiten spielt die Darstellung des Verstorbenen selbstver-
ständlich die Hauptrolle. Griechen, Etrusker und Römer haben auf diesen Gebieten Vor-
bildliches geleistet. Man denke nur an die hervorragenden Denkmäler des Friedhofes
von Hagia Triada in Athen, an die Tonplastiken der Etrusker aus Caere, Vulci usw., an
die römischen Porträts auf den Gräbern an den antiken Heerstraßen. Meistens wurde der
Tote idealisiert dargestellt. Die Idealisierung ergab sich aus der Tatsache, daß der Be-
treffende meistens erst nach seinem Ableben wiedergegeben wurde. Die fabelhafte Por-
trätkunst der Römer, besonders zur Zeit der Republik und unter den ersten Kaisern,
schuf für die Grabmonumente Köpfe von außerordentlicher Lebenswahrheit. Da viele
vornehme Römer die Gräber bereits zu Lebzeiten vorbereiteten, so läßt sich die Lebendig-
keit dieser Bildwerke leicht erklären.
Die Grabplatten des Mittelalters zeigen den Verstorbenen in roher Konturzeichnung —
später in Flachrelief. Als Vorläuferin der Renaissance gibt die italienische Spätgotik be-
reits die Figur des Toten auf einem Katafalk unter einem Baldachin liegend wieder. Die
Renaissance als neue Geistesströmung lehnt sich an die alte römische Überlieferung, über-
nimmt die antiken Architekturformen und bildet mit den Gedanken des vorhergehenden
Jahrhunderts seine großzügige vornehme Kunst. — Denkmäler wie jene Sixtus IV. und
Innocentius VIII. von Pollaiolo, sowie eine große Anzahl anderer Quattrozentisten ge-
hören zu den hervorragendsten dieser Periode. —
Wenn wir uns der Betrachtung römischer Barockdenkmäler hingeben, wie sie zu Hun-
derten in den Kirchen Roms sich befinden, so müssen wir zunächst einmal klarstellen,
worin sich überhaupt diese beiden Kunstäußerungen unterscheiden. Der Gegensatz ist
außerordentlich.
Das Grabmal der Renaissance ist ein völlig in sich abgeschlossenes Ganzes. In der
frühen Zeit meistens rechteckig begrenzt, später reicher gegliedert, stellt es durchwegs
den Toten auf einem Paradebette dar, oft in seinen Ornamenten an klassische Sarkophage
erinnernd. Eine große Tafel, meistens unter dem Sarge, oft auch an demselben, trägt
in klassischen Schriftzügen die Inschrift. Ein streng architektonisch gegliederter Rahmen
bildet den Abschluß, sich überall seiner Umgebung anpassend. Eine spätere Zeit gliedert
das Ganze noch reicher, ohne aber aus den strengen Proportionen herauszutreten. Über
dem Verstorbenen, in einer Nische, erscheint die Mutter Gottes mit dem segnenden Jesus-
kinde. In den einrahmenden Pilastern werden Nischen ausgespart, die die Heiligen auf-
nehmen, die der Verstorbene besonders verehrte, und deren Fürbitte er sich in der Grab-
schrift anempfiehlt. Das Motiv der Mutter Gottes ist jedoch nicht als ein neuer Gedanke
aufzufassen. Es ist vielmehr die Wiederaufnahme einer Sitte des Mittelalters. Einige
Gräber der Kosmaten in Rom legen hierfür Zeugnis ab. Nehmen wir nun aber zum Ver-
gleich das Denkmal eines Barockpapstes, so tritt uns der Gegensatz in seiner ganzen
Wucht entgegen. Von der großartigen Ruhe, die über den vorher erwähnten Bronzegrab-
mälern von Pollaiolo herrscht, ist keine Spur mehr vorhanden. Das Barock schafft hierin
eine große Wandlung. Wir sehen den Toten nicht mehr als solchen. Der Künstler führt
ihn uns vor, wie er als Papst segnet, als Condottiere in seiner Rüstung steckt, als Bischof
in einer Nische steht und sich dem Altar zuwendet. Kurz, man versuchte den Darge-
stellten so lebendig wie nur irgend möglich vorzuführen. Das Barock kannte kein zu
Lebzeiten hergestelltes Grabmal. So zeigen die meisten in dieser Zeit geschaffenen Por-
träts stark idealisierte Charaktere. Die Bewegungen der Figuren werden noch durch die
Gesten der Hände unterstützt. Der Romane hat es verstanden, dieses meisterlich zu lösen,
und so wird die Gestikulation zu einem der wesentlichsten Faktoren der Barockkunst.