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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 5.1866

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https://doi.org/10.11588/diglit.7151#0015
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe reiburg
(Beilage zum, Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 52.

Domine iloxi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

April 1866.

J. Die Kunſt und ihre Gilderſprache
(Bilder des Geiſtes in den Werken der Kunſt.)
Das iſt die Kraft und Schwäche des Menſchen, daß er,
zwiſchen zwei Welten geſtellt, das Unvergängliche nur im ver-
gänglichen Bilde zu ſchauen, den Geiſt nur in leiblicher Hülle
feſtzuhalten vermag, daß er die Wahrheit und Ewigkeit ſucht
in Allem und doch in keinem Dinge ganz ergreifen kann, überall
im Streit und Widerſpruch des Empfindens, Denkens und
Strebens ſich findet und doch nirgends Ruhe gewinnen und
wahre Freude genießen kann, außer nur wo beide Welten ſich
in Einheit und Harmonie verſöhnen. Dieſes ſtete Ringen nach
Erlöſung aus dieſem Zwieſpalt iſt ſeine Aufgabe im Leben.
Ueberall drängt ihn die innere geiſtige Lebenskraft, nach Wahr-
heit zu forſchen und das Schöne zu ſuchen, um ſo im beſchränk-
ten, irdiſchen Streben ein Nachbild des ewigen Vorbildes ſeiner
geiſtigen Beſtimmung zu erringen. Den wahren, bleibenden Frie-
den wird er aber vergebens auf der Erde ſuchen, auf welcher
ihm nur hier und da im Bild und Gleichniß ſeine ewige Hei-
math zu erkennen und wie durch einen Spiegel das Antlitz der
Ewigkeit zu ſchauen gegönnt iſt. Eben darum erfüllt ihn der
Anblick eines jeden harmoniſch durchgebildeten Werkes mit inne-
rer Freude, weil er hier im Bilde die Löſung der Aufgabe ſei-
nes Lebens ſich nahegerückt ſieht, weil die Hoffnung eines ewi-
gen Friedens, einer höchſten Erlöſung und Befreiung von allen
Widerſprüchen des Lebens ihn ſchon aus dem irdiſchen Nach-
bilde einer ungeſtörten Harmonie, wie ſie Kunſt und Wiſſen-
ſchaft in äußeren Zeichen und Zeugniſſen darzuſtellen vermögen,
tröſtend begrüßt. Aus dem Beſtreben, dieſe Harmonie des Un-
endlichen mit dem Endlichen, des Geiſtes mit irdiſchen Formen
zu finden, erwächſt dem Menſchen alle Wahrheit und erblüht
für ihn alle Schönheit im irdiſchen Leben. So lange Wiſſen-
ſchaft und Kunſt dieſes Ziel verfolgen, werden ſie auch den
Kampf zwiſchen geiſtigen Kräften und ſinnlichen Trieben im
Herzen beſchwichtigen.
Jn ihrer eigenen Natur dem Zwieſpalte verfallen, bedarf
aber jede menſchliche Kraft in dem Kampfe mit den irdiſchen
Bedingungen des Lebens einer höhern, göttlichen Hilfe, um
nicht in irdiſcher Zerriſſenheit ſich ſelbſt zu verlieren und er-
folglos in die dunkle Tiefe erdhafter Ohnmacht zu verſinken,

wie die griechiſche Tragödie uns dieſes jammervolle Loos des
menſchlichen Strebens als vergeblichen Kampf der Freiheit ge-
gen ein finſteres Geſchick vergegenwärtigt. Nur die religiöſe
Begeiſterung, der Glaube an eine helfende, göttliche Macht iſt
es, was die menſchliche Kraft über den Zwieſpalt des irdiſchen
Kampfes zu erheben vermag.
Die Kunſt iſt nicht die befreiende Macht des Lebens im
Kampfe gegen die blinde Natur, ſondern nur ein Zeugniß der-
ſelben, eine Traube aus dem Lande der Verheißung, ein Schat-
ten der vorüberwandelnden Wahrheit des Ewigen. Die Religion
muß der Kunſt erſt die Jdeale zeigen, denen ſie huldigen kann.
Erſt muß durch die Religion ein höheres, jenſeitiges Leben dem
Menſchen nahegetreten ſein, ehe er verſuchen kann, durch die
Kunſt in Bildern und Gleichniſſen das Jenſeits mit dem Dies-
ſeits zu vermählen, in ſichtbarer Erſcheinung die Jdee eines un-
ſichtbaren Lebens feſtzuhalten. Die Religion allein vermag den
Schleier einer unſichtbaren Welt zu heben und dem ſehnſuchts-
voll nach dem Jenſeits blickenden Geiſte in Augenblicken der
Weihe das unverhüllte Antlitz des Unausſprechlichen zu zeigen,
und jene kryſtällhellen Seelen, in welche in dieſen Augenblicken
der Weihe ein Abglanz der himmliſchen Erſcheinung gefallen,
verzehren ihr Leben in dem unermüdlichen Streben, die Geſichte
ihres Geiſtes in Farben und Formen, Tönen und Worten feſt-
zuhalten und nachzubilden. Die Künſtler ſind es, die den Fun-
ken der Himmelsahnung bewahren in der Seele, in denen der
Hauch des Ewigen, der unſichtbar und von Tauſenden nicht
empfunden, über die Erde zieht, ſich verdichtet zu duftenden
Blüthen; durch ſie wird die unſichtbare Herrlichkeit des Geiſtes
der allen Stoff nach ſeinen Bildern formt, offenbar auf Erden.
Jn der Kunſt iſt die leibliche Hülle zum unmittelbaren Ausdruck
eines geiſtigen Lebens und Geſetzes geworden, Leib und Seele
einen ſich zur unzertrennlichen Harmonie in ihr. Die Kunſt
iſt der Gruß und das Echo des Himmels auf Erden. Sobald
die Kunſt dieſes ihres eigenſten Berufes vergißt, ſobald die
religiöſe Begeiſterung weicht von der Menſchheit verarmen die
Geiſter, die Formen werden inhaltsleer und irdiſch, das bele-
bende Wort wird zur geiſtloſen Phraſe. Jn der Begeiſterung,
in der lebendigen Durchdrungenheit von einem höhern idealen
und unſterblichen Jnhalt iſt der Menſchengeiſt, von religiöſer
 
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