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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 5.1866

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https://doi.org/10.11588/diglit.7151#0027
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Knſlvereins der Erzdiöceſe Freiburg.

(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nor. 55.

Domine diloxi docorem domus tuae. Ps. 25, 8.

Juli 1866.

l. Ein Todtentanz in Badenweiler.

dieſen Erfahrungsſatz. Die untern Theile des Thurms, ſo wenig
man es von außen ahnen kann, ſind noch aus dem Mittelalter,
und zwar allem Anſchein nach aus romaniſcher Zeit. So darf
man wenigſtens nach dem Charakter des ſchlichten Tonnengewöl-
bes vermuthen, welches den Raum der Thurmhalle bedeckt. Wie
freudig aber war die Ueberraſchung, als einzelne Spuren menſch-
licher Geſtalten, abwechſelnd mit Gerippen, ſichtbar wurden,
welche ſofort das Vorhandenſein eines bis jetzt, wie es ſcheint,
ganz unbekannt geblieben Todtentanzes verriethen. Es war
das die dritte Entdeckung auf dieſem ſpeziellen, für die Kunſt
des Mittelalters ſo intereſſanten Revier, welche mir auf meinen
kunſthiſtoriſchen Jagd- und Streifzügen zu Theil wurde: die
erſte war der zuerſt durch den verſtorbenen Stüler entdeckte, durch
mich ſodann umſtändlich unterſuchte und veröffentlichte Todten-
tanz der Marienkirche zu Berlin, ein vor 1490 entſtandenes
Wandgemälde; ſodann vor einigen Jahren ein umfangreiches
Todtentanzbild in einer Kapelle des ſpäter durch verheerenden
Brand heimgeſuchten oberbayriſchen Fleckens Oberſtdorf,
vom Jahr 1640, über welchen ich bei anderer Gelegenheit zu
berichten mir vorbehalte. Dieſem zweiten als einem der jüng-
ſten deutſchen Todtentänze, reiht ſich nun der zu Badenweiler
als einer der wichtigſten an; denn ſeiner ganzen Kunſtweiſe, dem
Koſtüm, dem Charakter der Jnſchriften, ſelbſt der Geſammtan-
lage der Compoſition nach muß. ich ihn nicht blos als den älte-
ſten der deutſchen, ſondern überhaupt aller noch vorhandenen
bis jetzt zu Tage getretenen Todtentänze bezeichnen. Wenn näm-
lich mich nicht Alles täuſcht, ſo gehört dieſes merkwürdige Bild
der erſten Hälfte des 14. Jahrhunderts an. Aber noch wich-
tiger wird es durch einen andern Umſtand, daß es uns auf
deutſchem Boden eine Form des Todtentanzes nachweist, welche
bis jetzt in Deutſchland nirgends gefunden, ausſchließlich in
Frankreich und Jtalien geherrſcht zu haben ſchien, und welche
ich als die urſprüngliche oder doch als eine ältere, gewiſſermaßen
als den erſten Keim des nachmals ſo üppig in die Krone ge-
ſchoſſenen Baums der Todtentänze bezeichnen möchte.
Es iſt die alte Sage der drei Könige und der drei Todten, oder
wie ſie im Altfranzöſiſchen heißt: ,li trois vifs et li trois morts.'
Drei Könige ziehen frohgemuth auf die Jagd, die Falken auf
der Fauſt. Da begegnen ihnen drei Gerippe, die ihnen ein

Die ,,Allg. Ztg.'' bringt aus der Feder des berühmten
Kunſthiſtorikers Profeſſor W. Lübke folgende Mittheilung:
Wer Badenweilers ſchattige Wälder, ſaftiggrüne Matten
und liebliche Weingelände keunt, der weiß, daß dies einer der
ſchönſten Punkte auf deutſcher Erde iſt. Auf weit vorgeſtreck-
tem Arm ſanft über den Thalgrund emporgehoben, umfaßt von
den ſchützenden Bergrücken des Blauen und ſeiner Trabanten,
ſchaut es weit in die herrliche Rheinebene bis zu der weichge-
ſchwungenen Kette der Vogeſen, dieſer natürlichen Weſtmark des
deutſchen Landes. Hier findet das Auge den Wechſel eines reich
abgeſtuften Mittelgrundes, den freien Fernblick über die lachende
Ebene und ihre prachtvolle gebirgige Grenzlinie, und endlich
ſtilles Verſenken in die ſchattende Nacht der Eichen-, Buchen-
und Tannenwälder. Es iſt ein Ort, wo man im ſtillen Frie-
den der Natur hauſen, und das unruhige Treiben der Men-
ſchenwelt auf eine Zeit lang vergeſſen nag.
Und doch ſollte dem Kunſthiſtoriker hier eine Ueberraſchung
aufgeſpart ſein, und es drängte ſich ihm eine Entdeckung ent-
gegen, an die er am allerwenigſten hier gedacht hatte. Denn
nach Beſichtigung der intereſſanten, aus Leibnitzens ſorgfältiger
Publikation genügend bekannten Römerbäder, auf deutſcher
Erde wohl das umfangreichſte derartige Alterthum, glaubte er
ſich mit den kunſtgeſchichtlichen Merkwürdigkeiten Badenweilers
abgefunden zu haben, indem er die Unterſuchung über das Alter
der ohne alle Kunſtformen, lediglich durch ihre gewaltigen epheu-
umkränzten Maſſen anziehenden Burgruine getroſt Andern an-
heimſtellte. Am wenigſten ließ ſich vom Jnnern der Kirche
Erſprießliches erwarten, denn ein unwürdigerer Stall, eher fur
niedere irdiſche Zwecke, als für eine ideale Erhebung des Ge-
müths beſtimmt, iſt in den nüchterſten Tagen der Aufklärungs-
epoche wohl uirgends errichtet worden.
Und doch ſoll ein gewiſſeuhafter Forſcher ſich durch das
trockneſte Aeußere nicht abhalten laſſen, einen Blick ins Jnnere
zu werfen. Wer würde im Dom zu Berlin oder in der Kirche
zu Hechingen edle Bronzewerke eines Peter Viſcher und ſeiner
Schule vermuthen? Ein Blick in die Kirche zu Badenweiler, ohne
alle Hoffnung auf irgend welche Ausbeute verſucht, beſtätigte
 
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