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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 9.1870

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https://doi.org/10.11588/diglit.7146#0003
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Knnſvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 97.

Domino diloxi doeorem domus tuae. Ps. 25, 8.

Januar 1870.

Die Engelwache an dem Münſterportale zu Freiburg.

mit den Worten: ,,So alsdann Jemand zu euch ſagen wird:
Siehe, hie iſt Chriſtus! oder da! ſo ſollt ihr's nicht glauben.
Denn es werden falſche Chriſti und falſche Propheten auf-
ſtehen und große Zeichen und Wunder thun, daß ſie, wenn es
möglich wäre, auch die Auserwählten verführen würden in Jrr-
thum. Sehet Euch vor, ſieh, ich habe es Euch vorher geſagt!
So ſie nun ſagen: ſiehe er iſt in der Wüſte! ſo gehet nicht
hinaus; ſiehe er iſt in den Kammern, ſo glaubet es nicht.
Denn, wie der Blitz hervorgehet vom Aufgange und leuchtet
bis zum Niedergang, alſo wird auch ſein die Ankunft des
Menſchenſohnes. Deun, wo das Aas iſt, da werden ſich ver-
ſammeln die Adler.'' Die Hinweiſung auf das Endziel der
menſchlichen Pilgerfahrt — auf das jüngſte Gericht — veran-
laßt die Mahnungen, die in allen Zeiten wiederklingen ſollen,
zugleich die Warnung gegen die Verlockungen, vor welchen die
ſchützenden Mauern der Kirche Sicherheit bieten.
Jedesmal weist der materielle Auſbau der chriſtlichen Kirche
auf ihr überirdiſches Urbild, die Gemeinſchaft der Geiſter hin,
auf das himmliſche Jeruſalem, wovon ſie ſelbſt ihre Geſtaltung
und ihren Schmuck entlehnt, das mit ſeinem Lebensgeiſte ſie
durchdringt, das den Abglanz höherer Schönheit über das Ge-
ſtein verbreitet, aus welchem das zeitliche Gebäude ſich fügt.
Die höheren Kräfte, welche den materiellen Beſtand des irdi-
ſchen Gotteshauſes ſichern, ſind dieſelben, welche die Harmonie
der geſammten Schöpfung erhalten. Die Theile des Kirchen-
bau's, welche in der ſpeciellen Abſicht errichtet wurden, jede
äußere Gefahr von demſelben fern zu halten, ſind, dieſen An-
ſchaunngen gemäß, ganz beſonders unter die Obhut der himm-
liſchen Hüter und Boten geſtellt. Dies ſind die Thurm-An-
lagen, welche ſchon in früherer Zeit — wo ſie noch nicht
organiſch mit dem übrigen Bau verbunden waren, — in einigem
Abſtande vor dem Eingange derſelben ſich erhoben. Auf dem
in den Tagen Ludwig d. Fr. entworfenen Bauplane für die
Kloſterkirche von St. Gallen ſehen wir auf der Höhe zweier
Rundthürme, wovon herab jede Gefahr, bei Tag durch Rauch-
ſäulen, bei Nacht durch Feuerzeichen verkündet werden ſollte,
zwei Altäre zu Ehren der Engelfürſten Michael und Gabriel
angezeigt, deren Schutz der Geſammtbau und ſeine Jnſaſſen
anbefohlen werden. Jn ſpäterer Zeit wurden bekanntlich die

E ,,Suche heim, wir bitten Dich, o Herr, dieſe Woh-
nung; halte von ihr fern alle Nachſtellungen des Feindes;
Deine hl. Engel mögen in ihr wohnen, auf daß ſie uns in
Frieden bewahren, und Dein Segen ruhe auf uns immerdar.''
— Dieſes Gebet, welches die Kirche am Abſchluſſe eines jeden
Tages — im Completorium — ſpricht, macht uns die Be-
deutung der beiden Engelfiguren verſtändlich, welche rechts und
links bei dem Eingange in die Vorhalle des Münſters, auf
den vorderſten der Säulchen, welche die an der Nord- und
Südwand umherlaufende Arkatur ſtützen, dem Eintretenden die
ernſten, auf den von ihnen emporgehaltenen Spruchbändern ge-
ſchriebenen Mahnungen vorzeigen. — ,, Wachet und betet''; ſo
lauten die Worte, welche der an der nördlichen Seite aufge-
ſtellte Engel vorweist. ,,Gehet nicht hinaus'', ſpricht die War-
nung, welche die gegenüberſtehende Engelfigur dem Beſucher
der Kirche zuruft. Meidet die Verſuchung, mit welcher die
Außenwelt euch umgarnt, um euch den höchſten Zielen zu ent-
fremden. Verharret in Wachſamkeit und Gebet, um zu jeder Zeit
und Stunde bereit zu ſein, vor dem Gerichte des Herrn zu erſchei-
nen. Bei dieſer Darſtellung werden wir an die allegoriſche
Dichtung des Dante erinnert, welcher (Purg. VJJJ. . 25 ff.)
im Vorhofe des Paradieſes, während die Nacht um den hl.
Berg der Reinigung ſich verbreitet, zwei Engel, mit Flammen-
ſchwertern bewaffnet, zu der Bergſchlucht niederſteigen läßt, wo
die reuigen Seelen des Tagesanbruchs harren, um den Weg
der Läuterung zu beginnen. Die Engel verſcheuchen die Schlange,
welche, um die ernſten Vorſätze der Büßenden zu ſtören, zu
ihnen heranſchleicht. Ju ganz treffender Weiſe hat Phila-
lethes in ſeinem Commentare auf das Gebet hingewieſen,
welches die Kirche beim Herannahen des nächtlichen Dunkels
an Gott richtet.
Die beiden Sprüche ſind entnommen aus den Evangelien
des hl. Markus und Matthäus. Der Heiland fordert ſeine
Jünger zur Wachſamkeit auf, weil ihnen die Stunde unbekannt,
ſei, in welcher ihr Herr wiedererſcheinen werde. An einer
andern Stelle des hl. Matthäus warnt der Heiland vor den
falſchen Propheten, die in den letzten Zeiten ſich erheben werden
 
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