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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 12.1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.7190#0009
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Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Kunſvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 134.

Domine dilexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

1873.

Die kirchlichen Kunſtdenkmale der alten Kaiſerſtadt
avenna.

reicht, einzugehen, wollen wir nur beachten, daß Kaiſer Auguſtus
hier einen Hafen für eine Kriegsflotte herſtellen ließ, offenbar
zu einer leichteren Verbindung Jtaliens mit den öſtlichen Ländern,
auch mochte der nahe Pinienwald zum Schiffsbau gute Dienſte
leiſten. Hiedurch gewann natürlich Ravenna immer mehr an
Bedeutung, ja es entſtand ſüdlich am Hafen eine zweite Stadt,
Claſſis genannt, während die mit herrlichen Gebäuden beſetzte
Verbindungsſtraße oder Vorſtadt dem Kaiſer zu Ehren den
Namen Cäſarea erhielt. Die zunehmende Bedeutung und der
Verkehr mag auch die Urſache geweſen ſein, daß der hl. Petrus
bereits von Antiochien aus ſeinen Schüler Apollinaris zur
Predigt des Evangelinms hieher ſandte, der vorzüglich in der
Hafenſtadt ſeine Wirkſamkeit entfaltete. Von dieſem Heiligen
an zählt die hieſige Kirche ihre ununterbrochene Reihe von Bi-
ſchöfen, unter welchen das Chriſtenthum ſelbſt während der
Verſolgungen ſo ſehr erblühte, daß zu einer Zeit, da in Rom
und anderwärts das Heidenthum noch ſein kümmerliches Daſein
friſtete, hier bereits eine völlig chriſtliche Stadt war. Es kam
nun die Zeit, da die germaniſchen Völkerſchaften das römiſche
Reich immer mehr bedrängten; ja ſelbſt Rom, obwohl erſt vor
Kurzem durch Aurelian neubefeſtigt, ſchien keine rechte Sicher-
heit mehr zu gewähren. Honorius, der kleine Sohn des großen
Theodoſius, war in Mailand ganz unſanft aus ſeinen Träumereien
aufgeſchreckt worden. Da mußte man daran denken, für den
Kaiſer eine feſte Reſidenzſtadt zu ſuchen. Als ſolche bot ſich
nun Ravenna an. Vom Land her ſchien ſie uneinnehmbar,
weil ſie damals faſt wie Venedig von Lagunen umgeben und
überdieß von feſten Mauern beſchützt war. Von der Seeſeite
konnte jederzeit eine Flotte mit Hilfstruppen landen, zum Ent-
ſatz wie zur Verpflegung, während die feindlichen Germanen
keine Seemacht beſaßen. Jm Jahre 404 verlegte alſo Hono-
rius ſeine Reſidenz hieher, wo er ungeſtört von den Barbaren
die Jtalien wiederholt verwüſteten und Rom plünderten, ſeine
Lieblingsbeſchäftigung: die Hühnerzucht fortſetzen konnte. Hier
müſſen wir beſonders der Schweſter des Honorius, der Galla
Placidia, gedenken, die ihren Bruder an männlichem Sinne
und Herrſchertalent bei Weitem übertraf und durch ihre außer-
ordentlichen Geſchicke hervorragt. Bei der Eroberung Roms
durch die Weſtgothen gerieth ſie in die Hände der Barbaren

Bei den jetzt ſo häufig gewordenen Reiſen nach Jtalien
wird gewöhnlich Ravenna überſehen, obſchon es für Freunde
der altkirchlichen Kunſt von höchſter Bedeutung iſt. Mit Auf-
wand eines Tages kann die Stadt von Bologna aus leicht be-
ſucht werden, wiewohl natürlich für Kunſtfreunde ein viel
längerer Aufenthalt geboten erſcheint. Von Caſtel Bologneſe
aus, wo die Vicinalbahn ſich abzweigt, fährt man ſtets
durch eine Ebene, welche derjenigen in der Lombardei und Ve-
nezien völlig gleicht. Nach und uach verſchwinden die Ausläufer
der Apenninen unſeren Blicken in neblichter Ferne. Nur ein
Paar gewaltige Fluß-Rinnſale aus jenem Gebirge her und
einige Städtchen unterbrechen die Einförmigkeit der Gegend.
Zuletzt ſcheint der Boden nicht mehr ſo gut cultivirt; wir
nähern uns den Niederungen des Meeres, das in einer Ent-
fernung von zwei Stunden durch den vielgenannten Pinienwald
verdeckt iſt. Kaum hat man links unter den Bäumen das ge-
waltige Grabmal des Oſtgothenkönigs Theodorich erblickt, ſo
befindet man ſich auch bereits im Bahnhofe von Ravenna,
öſtlich von der Stadt. Gleich hinter dem Bahnhof liegt der
kleine Hafen, von dem aus ein Schiffskanal in das adriatiſche
Meer ausmündet, und von wo allwöchentlich einmal ein Dampf-
ſchiff nach Trieſt fährt. Eine traurige Thatſache ſür die ehe-
dem ſo bkühende Hafenſtadt. Der erſte Eindruck, wenn man
die öden und langen Straßen der ausgedehnten Stadt dahin-
wandelt, iſt ein ganz beſcheidener, ich möchte faſt ſagen ärm-
licher. Prächtige Paläſte, wie ſie z. B. Bologna, Padua oder
Verona aufzuweiſen haben, fehlen hier faſt gänzlich. Auch die
Kirchen haben ſelten ein erträgliches Aeußere; vielfach ſind ſie
ſogar baulich ſehr vernachläſſigt und ruinös, oft auch ohne
Kennzeichen ihres hohen Alters, wenn nicht die Ravenna eigen-
thümlichen runden Thürme eine Ausnahme machen würden.
Die ſogar auf offener Straße herumſtehenden Sarkophage ver-
mehren das düſtere Ausſehen. Doch ehe wir auf die hieſigen
Kunſtſchätze näher eingehen, möge der Leſer ſich gedulden, auf
die Geſchichte der Stadt etliche Blicke zu werfen.
Ohne in die grauen Urzeiten, in welche dieſe Stadt zurück-
 
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