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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 12.1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.7190#0025
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Chriſtliche

Kunſtblatter.

Organ des hriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöcele reibnrg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 138.

Domine diloxi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

1873.

Die alte gothiſche Rirche zu Bühl.

Das Kirchenblatt brachte in Nr. 35 d. J. einen Bericht
über die Grundſteinlegung der neuen Pfarrkirche in Stadt Bühl.
Schreiber dieſes hatte nun vor einiger Zeit Gelegenheit, die
Detailpläne (von Hrn. Bezirksbauinſpector Dernfeld in Baden
gefertigt), ſowie den Bau ſelbſt, der bereits bis zur Höhe der
Seitenſchiffe fortgeſchritten iſt, näher zu beſichtigen, und es freut
ihn, vollſtändig dem beiſtimmen zu können, was in Nr. 35
des Kirchenbl. geſagt iſt, nämlich daß dieſe Kirche eine wahre
Zierde ſein wird nicht blos für die Stadt Bühl, ſondern auch
für die ganze Gegend. Nicht minder gut, als der neue Bau,
hat uns übrigens die alte gothiſche Pfarrkirche, reſp. Thurm
und Chor derſelben, gefallen und es nimmt uns Wunder, daß
wir noch nirgends eine genauere Beſchreibung dieſes ehrwür-
digen Denkmals ſpätgothiſcher Baukunſt gefunden haben. Schon
Profeſſor A. Stolz, der auf ſeinen Reiſen ſchon Hunderte von
gothiſchen Kirchen geſehen hat, macht in ſeinen Schriften mehr-
mals auf dieſe Kirche aufmerkſam und ſagt, daß ſie viel ſchöner
ſei, als die Leute nur wüßten, und daß der Thurm dieſer Kirche
mit Ausnahme des Freiburger Münſterthurmes faſt der einzige
namhafte gothiſche Thurm des Landes ſei. (Spaniſches 5. Aufl.
S. 390 u. Beſuch 3. Aufl. S. 7.) Darum ſcheint uns dieſe
Kirche einer Beſchreibung in den Kunſiblättern werth zu ſein;
vielleicht tragen dieſe Zeilen auch etwas dazu bei, daß ihre
Hauptzierde, der Thurm, bei der Umbauung derfelben erhalten
bleibt und ſo ein vaterländiſches Denkmal des Alterthums ge-
rettet wird.

ſeinem Haus, Hof und Garten, ſowie auch ſeine Perſon von
Bet, Steuer, Frohnd, Wacht, Hut und anderer Dienſtbarkeit,
damit er ſeinem Handwerk beſſer obliegen könnte (vgl. Mone
Ztſchr. IJJ. Bd.) An Thurm-, Eck-, Fenſter⸗ und Pfeiler-
ſteinen der Kirche laſſen ſich acht verſchiedenartige Steinmetz-
Zeichen erkennen; ſo viele kunſtgeübte Steinhauer müſſen alſo
ungefähr damals beim Neubau beſchäftigt geweſen ſein. Daß
zehn Jahre oder noch länger an der Kirche gebaut wurde, darf
uns nicht auffallen; längere Bauperioden waren im Mittel-
alter gewöhnlich, und finden ſich auch bei kleineren Kirchen,
bei gewöhnlichen Pfarrkirchen. Eine alte Volksſage berichtet,
der Thurm der Bühler Kirche ſei noch ,,von den Heiden'' erbaut
worden, worunter gewöhnlich die Römer gemeint ſind. Die
zu ſeiner Höhe (101 Fß.) in keinem Verhältniß ſtehende Breite
(er mißt in's Geviert 27 Fß.) und die ungewöhnliche Dicke der
Mauern (7Fß.) macht es allerdings wahrſcheinlich, daß der
Thurm auf den Grundmauern eines römiſchen Baues, eines
römiſchen Sacellums oder auch einer ſog. Tiefburg ruht, wie
es Mone von ähnlichen maſſiv gebauten Thürmen in der Orte-
nau z. B. von den Kirchenthrmen zu Ottersweier, Achern,
Oberachern u. ſ. w. annimmt (vgl. Ztſchr. VJJ S. 432,
426, und XJV, S. 14). Der Thurm iſt drei Stockwerk
hoch im Quadrat erbaut, wo er dann nach gothiſchem Bauge-
ſetze zierlich in ein Achteck ſich ausſchweift. Das Hauptportal
in der Mitte des Thurmes, in der linea sancta nach Weſten ge-
richtet, iſt majeſtätiſch hoch und nicht ohne künſtleriſchen Schmuck.
Oberhalb deſſelben befindet ſich ein großes Radfenſter, eine
ſog. Roſe mit ſchönem zirkelgerechtem Maßwerk. Der achteckige
Oberbau des Thurmes iſt bekränzt mit einer 4 Fuß hohen
Galerie, innerhalb welcher man um den Thurm frei umher-
gehen kann und wo von man eine entzückende Ausſicht genießt.
Das Füllwerk der Galerie iſt ſpäthgothiſch. Einen beſondern
Schmuck verleihen dem Thurme die acht mit Krabben beſetzten
und in eine Kreuzblume endenden Fialen auf der Brüſtung
der Galerie und an deren Baſis acht Ungethüme als Waſſer-
ſpeier — das Nützliche mit dem Zierlichen ſchön vereinigend,
und jenes Wort der hl. Schrift am Hauſe Gottes plaſtiſch
darſtellend: ,,Aquae omnes, quae super coelos sunt, laudent
nomen Domini. Laudate Dominum de terra: dracones

Die Kirche wurde erbaut zwiſchen 1514 und 1524, wie die
Jahreszahlen an einem Chorpfeiler und über dem Thurmportale
anzeigen, und zwar höchſt wahrſcheinlich von Werkleuten der
berühmten Bauhütte des Kloſters Maulbronn bei Bretten, einer
jener Baugeſellſchaften des Mittelalters, denen wir durch ihre
künſtleriſchen Arbeiten in Malerei, Skulptur, Schnitzerei und
Gießerei ſo viel des Schönen verdanken. Das Kloſter Maul-
bronn hatte Güter in der Nähe von Bühl; und nach einer
Urkunde vom 6. April 1533 befreite Markgraf Philipp J. den
Steinmetz Hans von Maulbronn, der ſchon früher (wohl des
Kirchenbaues wegen) zu Bühl ſich niedergelaſſen hatte, mit
 
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