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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 12.1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.7190#0032
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— 262 —

gegenwärtig ein Bild Michel Augelos aufgeſtellt iſt, welches
die Kunſtfreunde und Forſcher lebhaftig beſchäftigt. Das frag-
liche Bild, eine Pietas darſtellend, war bis jetzt im Beſitze
einer angeſehenen Familie in Raguſa (Dalmatien), welche
daſſelbe zu-verkaufen beabſichtigt. Die Darſtellung iſt folgende:
Jn der Mitte die Madonna, Augen und Hände ſchmerzvoll
zum Himmel erhoben, in ihrem Schooße der vom Kreuz her-
abgenommene Heiland ruhend, das Hanpt zur Seite geneigt,
mit dem Ausdruck vollendetſter himmliſcher Ruhe in den bleichen
Zügen, die in einer des großen Meiſters würdigen Weiſe zur
Erſcheinung gebracht und von ergreifender Wahrheit iſt; herr-
liche Engelsgeſtalten unterſtützen zu beiden Seiten die herabge-
ſunkenen Arme des Erlöſers. Das ganze Bild hat ein Maß
von etwa 2 Fuß Höhe und 1', Fuß Breite. Daß wir hier
mit einem Orginal des unſterblichen Meiſters zu thun
haben, wird uns aus dem Briefwechſel des Michel Angelo und
der Vittoria Colonna klar vor Augen geführt (ſiehe H. Grimm).
Jn einem Briefe iſt das betreffende Bild ſo genau beſchrieben,
daß jeder Zweifel beſeitigt wird. Judem wir hoffen, ſpäter
auf dieſen Gegenſtand näher eingehen zu können, begnüigen wir
uns für diesmal damit das Vorhandenſein des Bildes betont zu
haben, und wünſchen, daß dieſe Perle der Kunſt in einem vater-
ländiſchen Muſeum den gebührenden Platz erhallen möge.
Dſſeldorf. Seit vielen Jahren beſteht hier ein Fran-
ziskanerkloſter, deſſen hübſche Kirche bereits ein ſchönes Gemälde
von Jttenbach beſitzt, demnächſt aber noch um einen ſeltenen
künſtleriſchen Schmuck bereichert werden ſoll. Einer der Mönche,
Bruder Hugo (Linderoth), iſt nämlich ein ſehr talentvoller Bild-
haner, der ſeit den neunzehn Jahren, die er dem Orden ange-
hört, ſeiner Kunſt mit raſtloſem Eifer obliegt und ſchon manch'
tüchtiges Werk vollendet hat, wie die ſechs Fuß hohen Statuen
der Madonna und der Heiligen Antonius und Franciscus für
das Kloſter in Warendorf, die von edler Auffaſſung und ge-
ſchickter Behandlung zeugen. Derſelbe hat nun ein großartiges
Altarwerk componirt, welches eine Höhe von etwa 26 Fuß bei
entſprechender Breite beſitzt, in rein gothiſchem Stil gehalten
iſt und eine Darſtellung des ſchmerzhaften Roſenkranzes zeigen
foll. Bruder Hugo iſt jetzt mit der Ausführung beſchäftigt, die
ihrer Volleudung entgegengeht. Jn der Menſa befinden ſich die
Symbole der Evangeliſten und Propheten, darüber in ſehr charakt-
teriſtiſchen Grnppen Darſtellungen der Blutſchwitzung Chriſti zu
Gethfemane, der Geißelung, der Dornenkrönung und der Kreuz-
tragung in Altarniſchen, von Engeln mit Poſaunen und Spruch-
bändern umgeben und überragt von dem aus zwölf Figuren be-
ſtehenden Hauptbilde, Chriſtus am Kreuz mit ſeinen Anhängern
und Widerſachern, welches dem Ganzen einen würdigen Abſchluß
verkeiht. Das Haupt des Heilandes neigt ſich mit tief empfun-
denem Ausdruck zu der am Kreuzesſtamm knieenden Maria
Magdalena, welche die Buße charakteriſirt, während die Jung-
frau Maria und Johannes die hingebende Liebe und die beiden
Frauen daneben die tröſtende Theiluahme und gläubige Be-
trachtung perſonificiren. Ju der Gruppe zur Linken tragen die
beiden Phariſäer Neid und Bosheit zur Schau, wogegen die
Söldner das Erwachen des Glaubens erkennen laſſen, das in
dem feurigen Bekeuntniß des Hauptmauns, der begeiſtert auf
den Gekreuzigten zeigt, bereits zum vollen Durchbruch gekom-
men iſt. Säͤmmtliche Geſtalten ſind trefflich aufgefaßt, mit
ächt künſtleriſchem Sinn gruppirt und auch in der Behandlung
durchans lobenswerth. Namentlich zeigen die Gewänder hübſche
Faltenmotive. Der ganze Bildſchmuck des Altars wird aus
feinſtem franzöſiſchem Kalkſtein gefertigt, ebenſo die vierzehn
Stationen, welche Bruder Hugo gleichfalls für die Franzis-
kanerkirche auszuführen begonnen hat. Dieſelben umfaſſen im

Ganzen zweiundſiebenzig Figuren in der Höhe von 2, Fuß
und verſprechen durch Gruppirung und Jndividualiſirung eine
nicht minder würdige Wirkung als der Altar, der auf wirk-
lichen Kunſtwerth Anſpruch machen darf.
Aus dem hl Lande. (Ein Votivbild in Tiberias.)
Freunden der ächt chriſtlichen Kunſt mag es nicht unerwünſcht
ſein, zu erfahren, daß von dem Meiſter des Frescobildes, ,,die
Steiuigung des hl. Stephanus'', in der Baſilika zu Müncheu
im Laufe des letzten Jahres ein Oelgemälde ausgeführt wurde,
welches zum Gegenſtande der Darſtellung hat: Chriſtus den
Herrn, nach ſeiner Anferſtehung dem Apoſtel Petrus das oberſte
Hirtenamt übertragend mit den Worten: ,, Weide meine Lämmer,
weide meine Schafe.'' Joh. 21, 16–17. Der Künſtler, Hr.
Kaſpar von Obergünzburg, hat das Bild ex voto für das
katholiſche Kirchlein der Franziskaner in Tiberias beſtimmt.
Die nächſte Veranlaſſung für den Küuſtler waren die Bitten
ſeines Jugendfreundes, des Hrn. Pfarrers Löchle von Rettenbach
und ſeine Schilderungen von der Armuth der Franziskaner und
ihrer Kirche in Tiberias. Die dankbare Erinnerung an die im
Kloſter gefundene Gaſtfrenndſchaft uach einem anftrengenden
Ausflug an den See Geneſareth am 4. Mai 1870 brachten
den ſchwäbiſchen Pilger, in ſeine Heimath zurückgekehrt, auf
den Gedanken, den armen Franziskauern ihre Liebesdienſte in
etwas wenigſtens zu erſetzen durch ein Altarbild in ihre Kirche
reſp. durch Beſorgung der Correſpondenz, Rahme und des
Transportes des Bildes, zu deſſen Ausführung Herr Kaſpar
animirt wurde. Nachdem die Raumverhältniſſe des Altares
brieflich von Tiberias mitgetheilt waren, ging der Küuſtler an
die Ausführung. Die Motive zu dem Bilde nahm er aus
den Worten des Herru zu Petrus: ,,Weide meine Lämmer,
weide meine Schafe.'' Auf dem Bilde ſelber iſt im Hinter-
grunde Tiberias mit dem See Geneſareth; in der Mitte des
Bildes ſteht der verklärte Chriſtus, in-der Linken den Hirten-
ſtab, mit der Rechten auf die Schäflein zu ſeinen Füßen zeigend,
den Blick auf Petrus gerichtet. Petrus kniet zur Rechten des
Herrn, die Hände über der Bruſt gekreuzt und durch ſeinen
ſiebevollen Aufblick zum Herrn auf ſeine Frage: ,,Haſt du mich
lieb?'' — gleichſam antwortend: ,,Herr, du weißt Alles, du
weißt, daß ich dich lieb habe.'' (Joh. 21, 17.) An Petrus,
den erſten Papſt, lehut ſich Pius JX., mit den Schlüſſeln in
der Hand und die Tiara auf dem Haupte, den Blick vertrauens-
voll auf Chriſtus gerichtet. Auf der linken Seite von Chriſtus
ſind ebenfalls zwei Perſonen (Johannes und Andreas). Jn den
verſchiedenen Farben der Schafe (ſchwarze, braune, weiße) zu
den Füßen des guten Hirten deutete der Künſtler an, daß alle
Menſchen (alle Nachkommen von Sem, Cham und Japhet)
der oberſten Hirtengewalt Petri gehorchen ſollten. Wenn ferner
von den Schäflein die einen bereits weiden, die anderen zum
Hirten aufſchauen, wieder andere noch ſchlafen, ſo iſt darin
vielleicht angedeutet die Berufung der Arbeiter in den Wein-
berg zu verſchiedenen Stunden. (Matth. 20.) Vollendet war
das Bild Mitte Juni dieſes Jahres. Ende Juni konnte es
noch einige Wochen vor dem Abgang nach dem Orient im
General-Commiſſariat des heiligen Landes in Wien ausgeſtellt
werden. Nach einem glücklichen Transport über Trieſt, Kaipha,
Nazareth, Tiberias wurde es am 10. November dieſes Jahres
in der Kirche zu Tiberias über dem Hauptaltar aufgeſtellt und
am ſelben Tage für die Wohlthäter ein Votivamt gehalten.
Jeder, der nach Tiberias kommt und an der nämlichen Stelle
ſtand, wo Chriſtus zu Petrus die Worte geſprochen: ,,Weide
meine Lämmer'', und in dem guten Hirten von Kaſpar den
katholiſchen Maler erkennt, darf man auch, ohne zu erröthen,
ſagen, daß der Autor ein deutſcher Künſtler iſt. (A. Pz.)

Verantwortliche Redaction: Dr. Stephan Braun. — Druck und Verlag der J. Dilger'ſchen Buchdruckerei
 
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