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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 16.1877

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https://doi.org/10.11588/diglit.7194#0001
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Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 162 und 163.

Domine diloxi decorem domus iuae. Ps. 25, 8.

1877.

Der Dom zn Conſtanz und ſeine beabſichtigte innere
Wiederherſtellung.

Jnnern auch leer und unfertig erſcheinen laſſen. Glücklicher-
weiſe hat man ſich in der abgelaufenen Reſtaurationsperiode
darauf beſchränkt, das Aeußere des Domes mit ſammt ſeiner
herrlichen ſpätgothiſchen Thurmanlage baulich wiederherzu-
ſtellen. Die Decoration, Erneuerung und Wiederverjüngung
des Jnnern nach wiſſenſchaftlich conſequenten Principien iſt
der Gegenwart vorbehalten worden.
Man hat nun in dieſem Jahr bei Gelegenheit der
900jährigen Gedächtnißfeier des großen Biſchofs Conrad
von Conſtanz den löblichen Anfang gemacht, die baulich
höchſt intereſſante, aber ſeither kaum beachtete Krypta poly-
chromatiſch herzuſtellen; zugleich hat man es auch nicht
unterlaſſen jene formſchöne, an dieſe Unterkirche anſtoßende
Kapelle des hochverehrten Welfenfürſten, in welcher ſich das
Grab dieſes ebengedachten heil. Biſchofs befindet, in jenen
ſtrengen Stylformen wieder herzuſtellen und zu verjüngen,
wie die Architekturformen der beſagten Kapelle es erforderten.
Zu dieſer wiſſenſchaftlich ſtrengen Wiederherſtellung der
Kapelle des hl. Conrad (f 976), zu welcher jene königlichen
und fürſtlichen Familien großmüthig Beiträge geſpendet
haben, welche von dem altberühmten Geſchlechte der Welfen
abſtammen, hat man die hervorragendſten Künſtler der ehe-
maligen Benedictinerabtei Beuron (Sigmaringen) berufen),
die ſowohl die ornamentale als die figurale Ausſtattung der
St. Conradikapelle zur Zufriedenheit competenter Sachkenner
in einem ſtrengen, ernſten Style durchgeführt und vollendet
haben. Wir werden an anderer Stelle Gelegenheit nehmen,
dieſe größere künſtleriſche Leiſtung der Benedictiner von
Beuron näher zu beleuchten.
Nachdem die anſpruchsloſen Fratres den Beweis geliefert
haben wie ſich einzelne Bautheile des Domes von Conſtanz
mit verhältnißmäßig geringen Mitteln in primitiver Be-
malung im Geiſte der reſpectiven Erbauer decorativ her-
ſtellen laſſen, iſt es erklärlich, daß heute bei der Bürger-
ſchaft Conſtanz's und bei der katholiſchen Bevölkerung des

Motto: ,,Instauratur quod abitif
(Deutſche Archäologen waren in den letzten Jahrzehnten
nach allen Seiten hin thätig, die hervorragenden Landes-
monumente in größeren und kleineren Monographien zu
beſchreiben und das Verſtändniß und die Reſtauration der-
ſelben in gebildeten Kreiſen immer weiter anzubahnen. So
wurden namentlich die deutſchen Dome von der Alterthums-
kunde in den Kreis gelehrter Forſchung gezogen und in
Folge davon wurde das Jntereſſe für die ſtylvolle Wieder-
herſtellung derſelben in allen Schichten der Geſellſchaft in
jüngſter Zeit wachgerufen. Auffallend muß es indeſſen er-
ſcheinen, daß der altehrwürdige Dom von Conſtanz bis
heute von Seiten der deutſchen Kunſt und Alterthums-
wiſſenſchaft faſt kaum gewerthſchätzt und keiner wiſſenſchaft-
lichen monographiſchen Beſchreibung gewürdigt worden iſt.
Und doch repräſentirt der Dom von Conſtanz, unſtreitig
das großartigſte und bedeutendſte Bauwerk an der Süd
grenze Deutſchlands, faſt den ganzen Canon heimathlicher
Bauweiſe vom X. bis zum Eintritt des XVJ. Jahrhunderts.
Und welche reiche Ausbeute gewährt ferner nicht der Dom
am Bodenſee für das Studium der älteren Malerei, der
Sculptur, der Goldſchmiedekunſt und der verwandten Zweig-
künſte? Zwar hat in den letzten Decnenien eine umfang-
reiche Wiederherſtellung des Aeußern der ehemaligen Kathe-
drale ſtattgeſunden; indeſſen dürfte dieſe Reſtauration als
eine verfrühte bezeichnet werden und gewinnt es bei Be-
ſichtigung der neuen nüchternen Bauformen, wie ſie namentlich
in die Nebenſchiffe eingeſchoben worden ſind, den Anſchein,
daß der leitende Architekt ſich mehr in die romaniſch-italie-
niſchen Bauformen eingelebt hatte, als daß er das Weſen
der germaniſch⸗gothiſchen Architektur in ſeiner Tiefe zu er-
faſſen vermocht hätte. Daher erklärt ſich auch, bei dem
Abgange größerer Baumittel, das vollſtändige Abſtrahiren
von den durchaus nothwendigen Maßwerkformen der großen
Spitzbogenfenſter der Nebenſchiffe, die heute durch ihre Leer-
heit unangenehm berühren und den Conſtanzer Dom in
dieſen weſentlichen Theilen ſowohl im Aeußern als im

*) Seit dem Winter 1875 iſt die Abtei nach Volders bei Jnnsbruck
überſiedelt und iſt leider die wiſſenſchaftliche und künſtleriſche Thätig-
keit der Benedictiner von Beuron dem engeren deutſchen Vaterlande
entzogen worden.
 
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