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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 19.1880

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https://doi.org/10.11588/diglit.7197#0021
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Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Kunſvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 184.

Domine dilexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

1880.

Die neuentdeckten Wandgemälde auf der Jnſel
Reichenau.

Von Friedrich Pecht. (A. Ztg.)

ſuchen. Da er aber durch dieſelbe die Finanzen des Kloſters
mehr, als ſeinen Mönchen billig ſchien, in Anſpruch nahm,
ſo ward er zuletzt von den, nach Scheffel's hier offenbar
frappant wahrer Darſtellung, mehr durſtigen als kunſtſinni-
gen Vätern verklagt und abgeſetzt. Man ſieht daraus alſo,
daß Etatsüberſchreitungen auch damals ſchon üble Folgen
für Architekten und Bauherren zu haben pflegten, und dicke,
fromme Patres in dieſem Stück faſt ebenſo empfindlich
waren, als vertrocknete moderne Juriſten und freigeiſtige
Volksvertreter.
Nichtsdeſtoweniger zeigt es ſich jetzt, daß wir beſagtem
Abt Witigowo wahrſcheinlich ein Kunſtdenkmal von großem
Werth verdanken, das heute, wo es ſeine Auferſtehung feiert,
uns einen unerwarteten Einblick in das Leiſtungsvermögen
einer der dunkelſten Perioden unſerer Kunſtgeſchichte eröffnet,
da es ſowohl das älteſte, als zugleich beſterhaltene ſeiner Art
ſein dürfte, welches wir überhaupt in Deutſchland beſitzen.
Es ſind das neu aufgedeckte Wandmalereien größten Styls
im Schiff dieſer Kirche, die entſchieden früher ſind, als das
bereits von Adler veröffentlichte Freskobild des jüngſten
Gerichts auf der Außenſeite der Weſtabſis unſerer Kirche,
welches bisher nach ihm und Woltmann als das früheſte
der erhaltenen Wandgemälde galt. Für dieſe Priorität
ſprechen vor Allem der noch weſentlich der Karolingiſchen
Epoche gehörige ſtrengere Styl und dann ganz beſonders
die Technik der Gemälde, die Allem nach in einer Art von
Temperafarben ausgeführt ſind, während man an jenem
bereits die vertieften Umriſſe der Freskomalerei wahrnimmt,
die beim Pauſen in den naſſen Kalk zu entſtehen pflegen.
Wichtiger als dieſe Prioritätsfrage, in der es ſich am Ende
doch nur um ein paar Dutzend Jahre handelt, iſt die große
räumliche Bedeutung und der Kunſtwerth unſerer neuen
Bilder. Unſtreitig ſtehen beide in einem auffalleuden Miß-
verhältniß zu der aus Kieſeln noch ziemlich roh und ärmlich,
wenn auch rein und edel in den Verhältniſſen, aufgeführten
Kirche und offenbaren eine gewaltige Ueberlegenheit der
Leiſtung des Malers über die des Architekten. Jhre Koſten
mögen daher jenen frommen Vätern um ſo eher Veranlaſ-
ſung zu nicht minder begründeten Klagen über Verſchwen-

Bekanntlich gehören die ſo verſchwenderiſch mit allen
Reizen der Natur geſchmückten, lieder- und ſagenreichen
Ufer des Bodenſee's zu den älteſten Sitzen unſerer natio-
nalen Cultur. Scheffel's ,,Ekkehard'' hat uns nicht nur
ein überaus reizvolles, ſondern auch zugleich ſo treues Bild
jener früheſten Epoche derſelben gegeben, wo ſich die grie-
chiſche Kunſt zum erſten Male fruchtbar für die unſerige
erwies, daß jede neue Forſchung die frappante Wahrheit
ſeiner poetiſchen Schilderungen nur noch mehr beſtätigt.
Nie aber glänzender, als dies eben jetzt durch die Ent-
deckung geſchehen, von der dieſe Zeilen Kunde geben ſollen.
Wer erinnerte ſich vor Allem nicht ſeiner Beſchreibung
der Reichenau und ihres berühmten Kloſters, ſowie ſeiner
gelehrten Jnſaſſen? Damals durch ihre inſulare Lage in-
mitten der blauen Fluthen vor den Verwüſtungen der Bar-
baren beſſer geſchützt, als die umliegenden Lande, hat die-
ſelbe ſpäter die glückliche Folge gehabt, ſie faſt gänzlich zu
iſoliren und ihren Denkmalen dadurch das alterthümliche
Gepräge unzerſtört zu belaſſen. Die ſtille Jnſel mit ihren
drei 100jährigen Kirchen iſt jetzt ein völlig abgeſchiedenes
Paradies, taucht wie ein Märchen aus alten Zeiten vor
uns auf, jeder Schritt führt uns in ſie zurück und ich wüßte
mit ihr in dieſer Beziehung nur das einſame Torcello bei
Venedig zu vergleichen.
Gehört alſo die alte Abtei Reichenau mit ihren Filial-
kirchen Ober- und Niederzell zu den älteſten noch vorhan-
denen Kirchenbauten Deutſchlands, ſo ſetzt Adler, von dem
wir eine ſchöne Monographie über dieſelben beſitzen, die
Entſtehung der heute noch vorhandenen Gebäude in's neunte
und zehnte Jahrhundert. Beſonders ſoll das Schiff der
Kirche zu Oberzell, das uns hier beſchäftigt, von einem Abt
Witigowo zwiſchen 984- 996 erbaut worden ſein. Selbiger
Abt ſei ein gar bauluſtiger und kunſtliebender Herr geweſen,
dem ſelbſt der Kaiſerſitz Konſtantinopel nicht zu entlegen
war, um dort neue Nahrung für ſeine Bauleidenſchaft zu
 
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