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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — [1].1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.22171#0024
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zen großen Geistesthat enthalten, Worte, die noch heute immer wieder den stärksten
Grundpfeiler protestantischer Ueberzeugung, jene innere Glaubensnothwendigkeit,
die im Herzen jedes Einzelnen lebendig bestehen muß, aus's tiesste bezeichnen.

Man hat wohl von einer Monumentenwuth und von der Gegenwart als
einer monumentensüchtigen gesprochen, aber man sollte wohl zusehen ehe man
mit einem unbedachten Worte den Stab über eine tiefwurzelnde Erscheinung
bricht, ob nicht eben tiefere gerechtfertigte Grüude dieser Neigung zum Grunde
liegen. Das Erwachen eines nationalen Bewußtseins auch in Deutschlanv hat
eine innigere Theilnahme an der Geschichte und an den geschichtlichen Persön-
lichkeiten der Nation wieder lebhaster als sonst hervorgerufen; mit innigerer
Wärme als sonst wenden sich die Herzen des Volkes seinen großen Männern,
in denen es leuchtende Vorbilder anerkennt, wieder zu und es verweilt mit Liebe
bei ihrer Beschauung, wenn sie ihm entweder durch die rein geistige Vermit-
telung des Wortes oder die mehr sinnliche der bildenden Kunst geboten werden.

Außerdem ist unsere Zeit für diese letztere Art der Darstellung auch reicher als
lange vorher an ausübenden Kräften, insbesondere in der Bildnerei; denn wenn
auch das Erwachen nationalen Sinnes allen Künsten zu einer regeren Förderung
und Eutwickelung zu Gute kommt, wie wir dies schon seit mehr als einem Viertel-
jahrhundert erleben, so ist doch unleugbar die Bildnerei diejenige Kunst, welche
der erwachten Neigung der Nation, ihre großen Männer .in sichtbaren Gestal-
tungen verherrlicht zu sehen, am meisten und natürlichsten entgegenkommt.

Ernst Rietschel, unbestrittener noch seit dem Tode seines großen Meisters
Rauch, der bedeutendste Bildhauer Deutschlands in der oben angedeuteten Rich-
tung, der in einer Reihe von großartigen monumentalen Gestalten, Lessing,
Göthe und Schiller, Weber u. a. m. ebensoviel Meisterwerke als Beweise seiner
hohen künstlerischen Kraft und Begabung schon vor die Augen der Nation stellte,
hat die Berufung zu dem Lutherdenkmale mit Begeisterung und der reinsten
künstlerischen Hingabe, ganz des großen Stoffes würdig, übernommen. Deutsch-
land kann vertrauen, daß aus seinen Händen mit Gottes Beistand ein Werk
hervorgehe, würdig des Gegenstandes, der ihm übergeben ist; und wenn, wie
es den Anschein hat, von manchen Seiten eine allgemeine Betheiligung ver-
schiedener künstlerischen Kräste angeregt wurde, so liegen doch die Schwierigkeiten
und die geringen Resultate solcher sogenannten Concurrenzen so nahe, daß man
sie, unseres Erachtens mit. vollem Rechte, da vermieden hat, wo, wie hier, über
die Befähigung des Meisters zu der Ausgabe nur eine Stimme existirt.

Wie aber die Aufgabe eine rein volksthümliche, dem gesammten prote-
stantischen Volksbewußtsein entsprechende ist, so erscheint es um so natürlicher,
daß der Künstler selber sich gedrängt sühlt, uiit seinen Gedanken vor dieses Ge-
sammtbewußtsein hinzutreten, auszusprechen, was seine Seele bewegt, um in dem
zustimmenden Wiederklang aus dem Volke Kraft für die Turchführung, in Stim-
men aber die sich gegen die eine oder die andere seiner Anschauungen erheben
mögen, Grund zur Prüfung, ja zur Beseitigung solcher zu finden. Denn nur
in einer sreien Wechselwirkung zwischen der Nation berechtigten Stimmführern und
dem Künstler können die Schwieligkeiten, die einem solchen Werke schon um seiner
geistigen und materiellen Größe willen beiwohnen müssen, überwuuden werden.
 
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