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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — [1].1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.22171#0048
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Knieen in ein Kleidchen gehüllt, nach einem dargebotenen Rosmarinstengel greift;
die h. Katharina, im Begriffe, auf das zu ihren Fnßen liegende zerbrochene
Rad niederznknieen; endlich Johannes den Evangelisten mit dem Nachtmahls-
kelch in der Linken, mit welchem feine Feinde^ ihn einst der Sage nach ver-
gisten wollten, aus welchem er aber durch die Segnnng das Gist entfernte —
es entweicht im Bilde nnter Ler Gestalt eines bosen Drachen. Diese vier
Figuren haben goldene Heiligenscheine nnd stellen sich auf dunkelm Grunde
in ernster Würde dar. — Der in der Mitte überhöhte Schrein ist hier oben
mit zwei kleinen Thürchen geschlossen, welche auf der Außenseite die h. Barbara
mit dem Thurme in der Linken nnd die h. Magdalena mit dem Salbengesäße
in der Rechten zeigen.

Oessnen wir diese kleinen Oberthürchen des Altarschreins, so sehen wir anf
der Jnirenseite das Bild des Alten und des Neuen Testamentes.
Jenes, eine weibliche Figur in langem, gelbem Aermelkleide, sinkt in die Kniee
znsammen. Die Augen sind mit einer langen weißen Binde sder „Decke Mosis")
verbunden, der linken Hand entsäüt das Buch (des steinernen Gesetzes), ein
Spieß, auf den sich die Rechte stützen will („der Stecken des Treibers"), zer-
knickt in drei Stücke. Das ist die trostlose Verzweiflung des alten, unhaltbaren
Gesetzesbundes. Dem gegenüber hält eine^ weibliche Figur in rothem Kleide
nnd blauem Mantel, weißem Schleier und goldenem Heiligenschein in Ler
Rechten den Kelch des Neuen Testamentes.

Die geössneten zwei großen nntern Doppelflügelthüren stellen mit ihren
Innenge m älde n im Vereine mit den Holzschnitz-Figuren des Altarkastens
die evangelische Geschichte dar vom Einzug in Jernsalem bis zum Pfingstseste.
Dem Beschauer zur Linken erscheint aus dem äußersten Flügel gemalt Jesus
im purpurnen Mantel aus dem jungen Esel in Jerusalem einreitend.
Hinter ihm gehen Petrns und Johannes. Ueber ihm bricht ein Knabe Zweige
von einem alten deutschen Weidenbaume. Vor ihm breitet eine vornehme
Person knieend ein Purpurkleid auf den Weg. Aus dem Stadtthore kommt ein
Anderer im goldbrokatenen Gewande, entblößt das Haupt und grüßt ehrerbietig;
ein Zweiter steht unbedeckten Hauptes unter dem Thore zum Willkomm bereit.
Die Lust ist Goldgrund; die Köpfe sind weich und ausdrucksvoll, das Ganze
hat eine kräftige Färbung. Aus dem solgenden Bilde sehen wir den Verrath
und die Gesangennehmung Jesu. Oben zeigt sich Kirche, Stadtmauer,
Wartthurm und Umgegend von Jerusalem, als wäre es die deutscheste Stadt
gewesen; unten im Vorgrunde liegt der Knecht Malchus, mit einer Blend-
laterne in der Hand, heulend am Boden, wahrend Petrus nach vollbrachter
Heldenthat sein Schwert in die Scheide steckt. Jesus hat das abgehauene Ohr-
läpplein in der heilenden Hand, als eben Judas roh sich an ihn herandrängt
zum Kusse, um den süns mit Spießen und Stangen bewassneten Knechten das
Zeichen zn geben.

Nun setzt sich die Leidensgeschichte durch füns anderthalb Fuß hohe Gruppen
sort, welche in hocherhabener, theilweise fast runder Arbeit je aus einem Stück
Lindenholz vortrefflich geschnitzt, ganz vergoldet und nur in den Gesichtern
bemalt sind. Sie stehen auf einem reich und schön durchbrochenen Sockel nnter
 
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