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schildert. Man kann es wohl die erste Biographie Dürers nennen, welche
ihrer Aufgabe in kunst- und kulturhistorischer Beziehung entspricht. Aus alten
und neuen Ouetten schöpsend, ohne sie sreilich auszuschöpfen oder auch nur
-alles auf Dürer Bezügliche zu kennen (was vielleicht nicht menschenmöglich ist),
somit jedenfalls noch reichlich Arbeit sich selbst und Andern hinterlassend, hat
Herr v. Eye, der in Nürnberg zumal am germanischen Museum täglichen Ver-
kehrs mit Dürer sich erfreut, ebenso lebendig dargestellt als anschaulich be-
schrieben und die Masse der Einzelnheiten geistvoll zu einem höchst anziehenden
Lebens- und Kulturgemalde verarbeitet. Wir empfehlen es den Lesern des
christlichen Kunstblattes angelegentlich, obschon wir nicht in allen Stücken mit
dem geistreichen und verdienstvollen Herrn Verfasser übereinstimmen können.
Es ist namentlich sein, übrigens mit Maß und Glimpf geltend gemachter, nio-
derner „Geistes"- und „Bildungs"-Standpunkt, welcher dem religiösen Geiste
Dürers und seiner Zeit nicht überall gerecht werden konnte.

Eine tiefere Erkenntniß der christlichen Glaubenslehre und der christlichen
Ethik würde den Künstlern und Kunstgeschichtschreibern überhaupt uichts schaden
und ihren Werken nur nützeu. Der pure „Geist," wenn auch in höchster mensch-
licher Steigerung, „die Kunst" an und für sich ohne lebendige Beziehung aus
den Urquell, „den Vater der Lichter," ist ja schließlich nur verschwindende Größe
und wird leicht ein verführender Götze, der nicht wahrhaft lebendig und fröh-
lich machen kann. Mit solchem heutigeni Geistes-Kultus, mit solchem Kunst-
und Kultur-Götzendienste hat Dürers Geist und Kunst gewiß entsernt nichts zu
schassen. Jener moderne Standpunkt nennt sich zwar selber den freien, aber er
zeigt sich als den besangenen und gebundenen, indem er das höchste Leben und
das tiefste Leiden nicht erfassen kann, wahrend der positiv evangelisch-christliche
Standpunkt als der allerfreieste nichts außer dem Ungöttlicheu zu verwerfen
braucht und des apostolischen Wortes leben dars: „Alles ist Euer, Jhr aber
seid Christi."

Ein Leben wie Dürers will jedensalls von einem solchen Gesichtspunkte
aus aufgefaßt werden, daß nicht blos seine Trübsal, sondern auch sein Trost
ofsenbar werde. Dürer war ein Christ im vollen Sinne des Wortes, er wurde
ein Freund Melanchthons, ein Verehrer Luthers und ein Mitarbeiter der
Reformation, nachdem er die alte Kirche mit dem Schönsten hatte schmücken
helfen, was deutsches Gemüth und deutsche Haud vermochte. Sein Leben war
ein reichgesegnetes, aber an dem, was man so gemeinhin Glück nennt, war es
sehr arm. Ueber dieses sein vielsaches Mißgeschick lamentiren nun seine Freunde
und Biographen glücklicherweise mehr als er selbst es that. Sie möchten nach
ihrem menschlichen Dünken ihrem Helden so gern den Lebensweg mit lauter
Rosen bestreut und mit recht viel Geld belegt wissen, während Gott seine
Knechte den Weg des Kreuzes führt. Obwohl Dürer den Druck des letztern
vollwichtig fühlte und Zeiten des Unmuths ihm herbe Worte auspreßten, so
hat er, der von Natur sanfte und geduldige, doch sicherlich je mehr und mehr
in der Gemeinschaft der Gläubigen, vollends an der Hand seines Luther, am
Herzen seines Melanchthon und des gemeinsamen Freundes Camerer — das
heißt an der Hand der Schrift und am Busen des aus ihr erkannten Herrn
 
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