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Styl der Kirche. Man gebe der Komposition eine schlichte Würde, den Formen
den Charakter der Einfachheit und Großheit, der nicht allein schon durch die
Linien der Architektur, welche die Bilder umschließt, sondern auch durch die
schweren, schon aus technischen Gründen möglichst einfach zu führenden Umriß-
linien, welche bekanntlich die Verbleiung zu verstecken haben, unterstützt wird.
Bei dieser Stylforderung ist jedoch Strenge und Gebundenheit nicht mit Unreife
und Unbeholsenheit des Styls zu verwechseln; es hat keinen Sinn, bei primi-
tiven Knnstformen zu verweilen, welche selber gar ost deutlich zeigen, wie gern
sie aus der Gebundenheit der ungeübten Hand herausgingen, weun sie es nur
vermöchten. Natürlich dars nun einem so gehaltenen Styl der Zeichnung die
Färbung nicht wiversyrechen. Man erfreue sich der ungebrochenen, gesättigten
Farbe, die hier ihren wunderbar leuchtenden Glanz wirken läßt, und verzichte
auf zu mannigfaltige und feine Details; man wolle nicht durch Luftperspektive
und durch weite landschaftliche Hintergründe den falschen Schein erwecken, als
ob man aus der Kirche in die Welt hinausblicke. Die heiligen Gestalten, die
sich wie fromme Gedanken in den Fensteraugen spiegeln, sollen den Blick, Ler
hinaus in das Weltgetreibe schweifen will, zurückleiten und erheben zü dem,
bei dem der Geist in der Kirche sein soll. Das farbenglühende Helldunkel der
Glasmalereien soll uns sriedvoll und sanst umfangen, und uns in dem Heilig-
thum zur Sammlung des Gemüths, zur Einkehr in Gott von den Zerstreuungen
der Außenwelt abschließen.

Jn England zeigt sich neuerdings lebendiger denn je das Bestreben, die
nationale Bildung auch in künstlerischer Beziehung auszubauen; ein Bestreben,
welches auch der Glasmalerei zugute kommt. Die vorjährige Londoner Welt-
ausstellung zeigte auf diesem Gebiete manche bemerkenswerthe Arbeit. Besonders
hat der in England überhandnehmende Brauch der Stiftung von Fenstergemälden
in Kirchen zum Gedächtniß Verstorbener der Glasmalerei trefflichen Vorschub
geleistet, wie denn überhaupt dieser Kunstzweig sich in England einer besonderen
Vorliebe zu erfreuen hat. So ist jetzt unter Anderm das Dekanat der St.
Pauls-Kirche in London entschlossen, dieses großartige, der St. Peters-Kirche
in Rom ähnliche Gotteshaus, das bisher außer seinen plastischen Monumenten
jeden künstlerischen Schmuck entbehrte, farbig zu dekoriren und namentlich sieben
Fenster mit Glasmalereien schmücken zu lassen.

Wie es scheint, hat der jetzige Architekt der Paulskirche, Hr. Penrose, ein
Künstler von großem Talent, umfassendem Wissen und bekannt mit den Leistungen
der deutschen Kunst auf diesem Gebiete, die Anregung zu dem schönen Unter-
nehmen gegeben. Hrn. Penrose ist von dem Dekanate die Anordnung der den
ganzen Raum der Kirche umfassenden dekorativen Arbeiten übertragen worden,
und es hat derselbe, soweit hierbei der Architekt mitzuwirken hat, die Dispo-
sitionen bereits getrosfen.

Was die beabsichtigten Darstellungen aus der Passion und der Apostel-
geschichte anlangt, welche aus das Glas gemalt und der Hauptschmuck dieser
Fenster werden sollen, so hatHr. Direktor Schnorr von Carolsfeld, wieoben
bereits erwähnt, den Auftrag erhalten, die Entwürfe, sowie die in der Größe
der Glasmalereien auszuführenden Kartons zu liesern. Und wohl dürfen wir
bei unseren Lesern voraussetzen, daß es sür sie von Jnteresse sein wird, zu
 
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