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Ulrich, vermeinter Feigheit wegen, von seinem Tische abwehrt, und der später
bei der Leiche dieses als tapferer Held gefallenen Sohnes niedersitzt, als müsse
er sich Rechenschaft geben, ob er nicht zu hart gehandelt habe, während Thronen
über seine rauhen Backen rollen. Mit seinem Pinsel gleichsam zaubernd, malt
er großartige Scenen aus dem Freiheitskampfe der edlen Söhne und Töchter
Griechenlands, bei Missolunghi und auf Suli.
Am liebsten und meisten aber wählt Scheffer seinen Stoff aus der bib-
lischen Geschichte. Theils, aber nur sparsam, Scenen aus dem alten Testamente,
z. B. die Engel bei Abraham, Jakob und Rahel, Ruth und Naemi; weit mehr
aus dem neuen Testamente, wie Magdalena beim Kreuze, die Frauen beim
Grabe, Maria nach Jesu Erscheinung im Garten Josephs, und am allerhäufigsten
Jesum Christum selbst. Bald ist es der Herr, der in der Wüste versucht wird,
bald, der die Kinder zu sich ruft, bald wieder, der das Kreuz trägt, oder, wie
er in das Grab gelegt wird. Das Höchste und Schönste, ja ganz Einzige, das
er in dieser Art geliefert hat, besteht in den zwei bekannten Darstellungen, die
in tausend und aber tausend Nachbildungen vervielfältigt sind, in seinem
Christus Consolator und in dem Christus Remunerator. Allgemein
wird anerkannt, daß es für Maler und Bildhauer, so wie auch für Redner,
Dichter und Musiker keinen großartigeren Gegenstand giebt, als den Menschen
im höchsten Sinne des Wortes, den vollkommenen Jesum Christum. Scheffer
hat diesen Sohn des Menschen wieder vorzugsweise gemalt und in jenen beiden
Schöpfungen seines Genius ihn vorgestellt in den erhabensten Handlungen, wie
er alle Zeiten hindurch alle in allerlei Umständen hier tröstet, dort richtet.
Meine dritte Bemerkung ist diese: er behandelt diese Stoffe auf die er-
habenste Weise.
Viele Maler verschwenden ihre Kraft an allerlei Beiwerk. Scheffer ist in
dieser Hinsicht sehr sparsam. Man kennt seine Figuren nur selten an ihrer
Bekleidung, die sich auf das Allernothwendigste beschränkt, ja, woran es oft
selbst gänzlich gebricht; nein, man kennt sie an ihnen selber. Ihm ist es nur
um Darstellung von Charakteren zu thun, und diese malt er auf die edelste,
einfachste, ganz eigenthümliche Weise. Er ist — so könnte man sagen — kein
epischer oder dramatischer, sondern ein lyrischer Maler"), der sein eigenes
Gefühl in Farbe und Form bringt, indem er sich wenig darum bekümmert, ob
man ihn verstehen und werthschätzen werde. Es ist ihm eigentlich gar nicht
um Darstellungen aus dem Leben der Menschen oder um ihre Werke und
Schicksale zu thun, nein, ihre Empfindungen, ihren Seelenkampf, ihre Liebe,
ihr Geistesleben will er anzuschauen geben.
So ist es mit seinen Bildnissen. Ueber das mir unbekannte Bild der
Wittwe Ludwig Philipps sagt ein Kenner: „Es drückt die Geisteskraft und
Gelassenheit einer edlen Seele aus, in Vereinigung mit dem Schmerz und der
Hoffnung eines zarten und christlich gestimmten Herzens."*) **)
Betrachtet Augustin und Monica! Wie sitzen sie da allein, ohne einiges
*) L. LoUsrsr, NvInnAss äs oi'iti^ns rslixisuss, ksris 1880, S. 569.
Vitst in Soüsltvrs Isvsn, S. 138.
Ulrich, vermeinter Feigheit wegen, von seinem Tische abwehrt, und der später
bei der Leiche dieses als tapferer Held gefallenen Sohnes niedersitzt, als müsse
er sich Rechenschaft geben, ob er nicht zu hart gehandelt habe, während Thronen
über seine rauhen Backen rollen. Mit seinem Pinsel gleichsam zaubernd, malt
er großartige Scenen aus dem Freiheitskampfe der edlen Söhne und Töchter
Griechenlands, bei Missolunghi und auf Suli.
Am liebsten und meisten aber wählt Scheffer seinen Stoff aus der bib-
lischen Geschichte. Theils, aber nur sparsam, Scenen aus dem alten Testamente,
z. B. die Engel bei Abraham, Jakob und Rahel, Ruth und Naemi; weit mehr
aus dem neuen Testamente, wie Magdalena beim Kreuze, die Frauen beim
Grabe, Maria nach Jesu Erscheinung im Garten Josephs, und am allerhäufigsten
Jesum Christum selbst. Bald ist es der Herr, der in der Wüste versucht wird,
bald, der die Kinder zu sich ruft, bald wieder, der das Kreuz trägt, oder, wie
er in das Grab gelegt wird. Das Höchste und Schönste, ja ganz Einzige, das
er in dieser Art geliefert hat, besteht in den zwei bekannten Darstellungen, die
in tausend und aber tausend Nachbildungen vervielfältigt sind, in seinem
Christus Consolator und in dem Christus Remunerator. Allgemein
wird anerkannt, daß es für Maler und Bildhauer, so wie auch für Redner,
Dichter und Musiker keinen großartigeren Gegenstand giebt, als den Menschen
im höchsten Sinne des Wortes, den vollkommenen Jesum Christum. Scheffer
hat diesen Sohn des Menschen wieder vorzugsweise gemalt und in jenen beiden
Schöpfungen seines Genius ihn vorgestellt in den erhabensten Handlungen, wie
er alle Zeiten hindurch alle in allerlei Umständen hier tröstet, dort richtet.
Meine dritte Bemerkung ist diese: er behandelt diese Stoffe auf die er-
habenste Weise.
Viele Maler verschwenden ihre Kraft an allerlei Beiwerk. Scheffer ist in
dieser Hinsicht sehr sparsam. Man kennt seine Figuren nur selten an ihrer
Bekleidung, die sich auf das Allernothwendigste beschränkt, ja, woran es oft
selbst gänzlich gebricht; nein, man kennt sie an ihnen selber. Ihm ist es nur
um Darstellung von Charakteren zu thun, und diese malt er auf die edelste,
einfachste, ganz eigenthümliche Weise. Er ist — so könnte man sagen — kein
epischer oder dramatischer, sondern ein lyrischer Maler"), der sein eigenes
Gefühl in Farbe und Form bringt, indem er sich wenig darum bekümmert, ob
man ihn verstehen und werthschätzen werde. Es ist ihm eigentlich gar nicht
um Darstellungen aus dem Leben der Menschen oder um ihre Werke und
Schicksale zu thun, nein, ihre Empfindungen, ihren Seelenkampf, ihre Liebe,
ihr Geistesleben will er anzuschauen geben.
So ist es mit seinen Bildnissen. Ueber das mir unbekannte Bild der
Wittwe Ludwig Philipps sagt ein Kenner: „Es drückt die Geisteskraft und
Gelassenheit einer edlen Seele aus, in Vereinigung mit dem Schmerz und der
Hoffnung eines zarten und christlich gestimmten Herzens."*) **)
Betrachtet Augustin und Monica! Wie sitzen sie da allein, ohne einiges
*) L. LoUsrsr, NvInnAss äs oi'iti^ns rslixisuss, ksris 1880, S. 569.
Vitst in Soüsltvrs Isvsn, S. 138.