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üppiger Wirkung absorbirt. Ganz im historischen Geiste erfaßte er das Gedicht,
dessen Kern der Kampf der christlichen Welt, repräsentirt in König Karl und
seinen Paladinen, gegen die Ungläubigen bildet, um den dann die Schicksale und
Abenteuer der einzelnen Helden sich gruppiren, und wie er dem reizenden und
wunderbaren Detail sein Recht gelassen und Gestalten von hoher Anmuth aus dem-
selben geschaffen, so hält er sich doch immer an den großen geschichtlichen Grund-
und Hauptgedanken, dem auch die Hauptbilder gewidmet sind. Er wird so zum
tiefblickenden Interpreten der ernsten Tendenz des Gedichtes, für die die concrete
Gestaltung nur das wechselnd redende Sinnbild ist.
So ist Schnorrs künstlerisches Vermögen gewachsen und seine Anlage doch treu
bewahrt. Er ist fähig geworden, die größeren Aufträge auszuführen, zu denen er
jetzt berufen wurde.
Bereits ehe der Ariostcyklus vollendet war, machte Schnorr im Jahre 1825
die Bekanntschaft des kunstsinnigen Königs Ludwig I. von Baiern, der den Früchten
deutschen Künstlergcistes, die in Rom an ältern und neuen Vorbildern erwachsen
waren, so großherzig eine Stätte in seiner Residenz anbot. Schnorr sollte einen
Cyklus von Bildern zur Odyssee liefern, und hatte die Entwürfe bereits begonnen,
ja er war schon nach Sicilien gegangen, dort die landschaftliche Scencrie zur Odyssee
zu studiren. Aber König Ludwig änderte seinen Plan und trug dem Künstler auf,
Bilder zu dem Nibelungenliede für eine Reihe von Prachtsälen in der Residenz in
München zu malcu. Zugleich war damit eine Berufung als Professor der Historien-
malerei an der Akademie der bildenden Künste in München verbunden. Schnorr
ging auf beides ein. Am 11. Mai 1827 vollendete er den Ariostcyklus und nahm
Abschied von Rom. Er kehrte über Wien zurück, wo er sich mit der Tochter seines
Freundes, des Landschaftsmalers Olivier verlobte, die er schon als Kind gekannt und
geliebt hatte, und mit der er in glücklichster Ehe fort und fort gelebt. Hoffnungs-
voll reiste er nach München ab, die Nibelungenbilder zu beginnen. Die Ausführung
derselben spricht hinreichend dafür, daß der künstlerischen Welt kein Schade damit
geschah, daß der Auftrag, die Odyssee zu malen, in den, die Nibelungen zur Dar-
stellung zu bringen, umgeändert worden war. Schnorrs kräftig deutsche Natur kam
in den herben, gewaltigen Gestalten des deutschen Epos vielleicht origineller zur
Geltung, als es in dem griechischen geschehen wäre, und unbestreitbar behaupten
diese Arbeiten unter allen monumentalen Leistungen Schnorrs den Vorrang. Auch
hier sehen wir den Faden geistiger Vermittelung, der diese Darstellungen mit den
vorigen verknüpft. Die Nibelungenbilder sind gewissermaßen ein Pendant zu den
Darstellungen aus Ariost. Auch das Nibelungenlied steht auf dem historischen
Fundamente des Kampfes christlich-abendländischer Kultur gegen den Anprall heid-
nischer Barbarei, in den die Reste der altnordischen Nibelungensage, ihres mythischen
Inhalts bereits entkleidet, eingewebt sind. Auch hier gipfelt die Darstellung in der
Verkörperung dieses Grundgedankens. Aber eben in Vergleichung mit den Ariost-
bildern erkennen wir, wie viel gewaltiger und klarer die Komposition, wie viel indi-
vidueller und wahrer, schöner und geschmeidiger die Gestalten geworden sind, wie
viel unmittelbarer der Künstler selbst in ihnen lebt. Und wie uns dies in den Ge-
stalten selbst entgcgcntritt, so auch in der originellen Ausarbeitung des Kostüms,
namentlich auch in der feinen Wiedergabe der romanischen Architektur, die in ihren
 
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