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Doch im Allgemeinen sind die Grabschristen katholischer Laien wie in der
vorigen Periode kurz. Sie schließen meist nach kurzer Angabe des Charakters des
Verstorbenen mit dem bereits genannten Wunsche, oder es heißt: Dieser und aller
Christgläubigen Seelen Gott, der Allmächtig gnädig und barmherzig sein wölle,
während die Evangelischen bei kurzen Grabschristen jene andere Bitte vorziehen:
Denen Gott eine fröhliche Aufferstehung verleyhen wölle.
Eine kurze Grabschrist hatte sich auch die famose Königin Christine, Gustav
Adolphs Tochter, die im Jahre 1689 zu Nom als Convertitin starb, gewünscht.
Sie hatte sich die Worte erwählt:
Ollristina vixir nnnos LXIII;
allein ihre Glaubensgenossen gewährten ihr nicht diese Gunst, die doch vernünftiger
Weise das Zweckmäßigste war, sondern schrieben der heillosen Frau einen langen
Paneghrikus. In der Peterskirche zu Rom findet sich ihr Bronce-Bildniß über
ihrem Grabe, und ein Basrelief stellt ihre ruhmvolle Abschwörung des protestantischen
Glaubens dar. Ihr gerade gegenüber hat das Denkmal Leo's X. Platz gesunden,
das der vorige Papst erst hat errichten lassen. So viele Denkmale verstorbener
Päpste reihen sich dort an einander, daß die Namen der Einzelnen verschwinden
und nur einzelne Denkmäler durch besondere Schönheit den Blick des Betrachters
auf sich ziehen. Die Pracht und der Glanz menschlichen Reichlhums ist dort allzu
gehäuft, das Auge ermüdet und die Seele wird von dem Gedanken ergriffen, daß
all dieser Pomp doch nur Staub und Asche deckt, hinfällige Menschen, die einst
die fußfällige Unterwerfung ihrer Zeitgenossen unter ihre angeniaßte Hoheit ver-
langten und meist auch fanden, auf deren Staub nun der Fuß des Wanderers
gleichgültig tritt, ohne Nur zu fragen, welchem Sterblichen er einst angehört habe.
Die schlimmste Frucht dieser Zeit, deren verderbliche Folgen noch heutzutage
nicht ganz beseitigt sind, war die scharfe Scheidung, welche nun zwischen dem Volke
und den Gebildeten eintrat. Dieß hat sich sogar auch bis in die Gräberwelt fort-
gesetzt. Die Sprache auf den Grabsteinen der Gelehrten ist eine fremde, eine
lateinische, gleichsam als hätten sie damit im Tode noch ausdrücken wollen, daß sie
im Leben unter ihrem Volke nicht heimisch waren. Nur die lateinische Sprache
schien vornehm genug, den Grabstein des Gelehrten zu zieren; die deutsche Sprache
war hiefür zu gemein. Ja sonderbar selbst diejenigen, die sich deutsche Dichtkunst
zur Ausgabe ihres Lebens gemacht hatten, die viele tausend Verse in ihrem Leben
zusammengeschrieben hatten, denen daher die Versuchung so nahe lag, sich auch einen
seinen Vers für ihre Grabschrift zu zimmern, durften sich dem Zwange der gelehrten
Mode nicht entziehen. Wir forschen z. B. nach der Grabschrist des Hauptes der
Pegnitzschäser, Philipp Harsdörfer, der ja in seinem Nürnberger Trichter die ganze
deutsche Dichtkunst in 6 Stunden einzugicßen verstand, und finden auf dem kleinen
Kirchhof zu Nürnberg folgende lateinische Inschrift:
Nors vitas irnitallilis Lotio.
Oonckitoriunr lloo 6a. Lllil. HarLciörtkor Lateins Lsnator
linmutatiouis suns Nsmor Lilli Lostsris^us xoir. vol.
^nno dsNsutllss LlVIuas.
Oder wir suchen das Grab des berühmten Malers Joachim von Sandrart, der
am 14. Okt. 1688 verstarb. Er hatte ja auch, wie der alte Trechsel sagt, die Ehre
Doch im Allgemeinen sind die Grabschristen katholischer Laien wie in der
vorigen Periode kurz. Sie schließen meist nach kurzer Angabe des Charakters des
Verstorbenen mit dem bereits genannten Wunsche, oder es heißt: Dieser und aller
Christgläubigen Seelen Gott, der Allmächtig gnädig und barmherzig sein wölle,
während die Evangelischen bei kurzen Grabschristen jene andere Bitte vorziehen:
Denen Gott eine fröhliche Aufferstehung verleyhen wölle.
Eine kurze Grabschrist hatte sich auch die famose Königin Christine, Gustav
Adolphs Tochter, die im Jahre 1689 zu Nom als Convertitin starb, gewünscht.
Sie hatte sich die Worte erwählt:
Ollristina vixir nnnos LXIII;
allein ihre Glaubensgenossen gewährten ihr nicht diese Gunst, die doch vernünftiger
Weise das Zweckmäßigste war, sondern schrieben der heillosen Frau einen langen
Paneghrikus. In der Peterskirche zu Rom findet sich ihr Bronce-Bildniß über
ihrem Grabe, und ein Basrelief stellt ihre ruhmvolle Abschwörung des protestantischen
Glaubens dar. Ihr gerade gegenüber hat das Denkmal Leo's X. Platz gesunden,
das der vorige Papst erst hat errichten lassen. So viele Denkmale verstorbener
Päpste reihen sich dort an einander, daß die Namen der Einzelnen verschwinden
und nur einzelne Denkmäler durch besondere Schönheit den Blick des Betrachters
auf sich ziehen. Die Pracht und der Glanz menschlichen Reichlhums ist dort allzu
gehäuft, das Auge ermüdet und die Seele wird von dem Gedanken ergriffen, daß
all dieser Pomp doch nur Staub und Asche deckt, hinfällige Menschen, die einst
die fußfällige Unterwerfung ihrer Zeitgenossen unter ihre angeniaßte Hoheit ver-
langten und meist auch fanden, auf deren Staub nun der Fuß des Wanderers
gleichgültig tritt, ohne Nur zu fragen, welchem Sterblichen er einst angehört habe.
Die schlimmste Frucht dieser Zeit, deren verderbliche Folgen noch heutzutage
nicht ganz beseitigt sind, war die scharfe Scheidung, welche nun zwischen dem Volke
und den Gebildeten eintrat. Dieß hat sich sogar auch bis in die Gräberwelt fort-
gesetzt. Die Sprache auf den Grabsteinen der Gelehrten ist eine fremde, eine
lateinische, gleichsam als hätten sie damit im Tode noch ausdrücken wollen, daß sie
im Leben unter ihrem Volke nicht heimisch waren. Nur die lateinische Sprache
schien vornehm genug, den Grabstein des Gelehrten zu zieren; die deutsche Sprache
war hiefür zu gemein. Ja sonderbar selbst diejenigen, die sich deutsche Dichtkunst
zur Ausgabe ihres Lebens gemacht hatten, die viele tausend Verse in ihrem Leben
zusammengeschrieben hatten, denen daher die Versuchung so nahe lag, sich auch einen
seinen Vers für ihre Grabschrift zu zimmern, durften sich dem Zwange der gelehrten
Mode nicht entziehen. Wir forschen z. B. nach der Grabschrist des Hauptes der
Pegnitzschäser, Philipp Harsdörfer, der ja in seinem Nürnberger Trichter die ganze
deutsche Dichtkunst in 6 Stunden einzugicßen verstand, und finden auf dem kleinen
Kirchhof zu Nürnberg folgende lateinische Inschrift:
Nors vitas irnitallilis Lotio.
Oonckitoriunr lloo 6a. Lllil. HarLciörtkor Lateins Lsnator
linmutatiouis suns Nsmor Lilli Lostsris^us xoir. vol.
^nno dsNsutllss LlVIuas.
Oder wir suchen das Grab des berühmten Malers Joachim von Sandrart, der
am 14. Okt. 1688 verstarb. Er hatte ja auch, wie der alte Trechsel sagt, die Ehre