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falls. Zwar, daß die Persönlichkeit und Lehre des Dominikaners Phantasie
und Schaffen des Michelangelo nachdrücklich und direkt beeinflußt haben
nnd bestimmte Werke, wie die Pietü, die Sixtina-Bilder, besonders das Welt-
gericht, das Propheten- und Madonnenideal desselben, davon zeugen —
das stellt Frey (gegen Thode u. a.) in Abrede, nicht mit Unrecht. Aber
daß Savonarolas Persönlichkeit auf das Innenleben des Jünglings von
Wirkung gewesen sein muß, ist klar und wird auch von Frey nicht verkannt.
Am 10./II. Oktober 1494 ritt er fort nach Bologna, wo ihm sofort
Arbeiten für die Xrou 8. Ooineniao — den Reliquienschrein des Stadt-
heiligen — aufgetragen wurden. Es sind davon erhalten ein leuchterhal-
tender Engel und eine Statue, St. Petronius. Der h. Prokulus, beim
Abstauben verunglückt, wird dem M. wohl mit Unrecht zugeschrieben; die
beiden ersteren beurteilt Frey viel günstiger, als es sonst geschieht. Auch
der zarte Giovannino (Johannes d. T.) mit der Honigscheibe, jetzt im
Kaiser Friedrichs-Museum zu Berlin, wird in längerer Untersuchung (S. 224
bis 237) als echtes Werk anerkannt, während Fritz Knapp in der Gesamt-
ausgabe der Klassiker der Kunst (S- XIV) denselben als nicht nachweisbar
unter die „zweifelhaften" stellt.
Bald nach der Rückkehr in die Heimat passierte dem 20jährigen
Künstler die Geschichte mit dem, jetzt verschollenen, schlafenden Amor;
sie ist historisch; Frey erzählt sie auf die Autorität von Eondivi hin folgen-
dermaßen im Detail (S. 241 f.) Michelangelo hatte jene Figur auf eigene
Rechnung gefertigt, „doch wohl in der stillen Hoffnung, an Lorenzo
einen Abnehmer zu finden", (also wäre sie schon 1492 fertig gewesen!).
Dieser hatte aber keine Lust; und um die Sache abzuschieben, riet er dem
Künstler, der Figur ein altertümliches Aussehen zu geben und sie nach Rom
zu schicken, (wo damals schon der Antikenhandel und die Antikenfälschung
florierten); da werde er sie bald losbekommen. Und so geschah's. Michel-
angelo war mittellos; er brauchte Geld, um seinem Vater nicht zur Last zu
fallen und von seinen Brüdern hatte er nichts zu erwarten. Auch hier schon
vermittelte ein Agent den Kauf durch einen Kunsthändler (Baldassarre) und
dieser suchte das Werk schleunigst wieder zu verkaufen. Durch solche Hände
kam der Amor, den wir uns weder künstlich verstümmelt, noch imitiert,
sondern als eine selbständige Eigenarbeit des Michelangelo, nur etwa fleckig
und dunkel getönt denken müssen, als „Antike" an den Kardinal Riario,
dem aber der Hergang nicht verborgen blieb. In richtiger Beurteilung der
Sache zürnte er jedoch dem jungen Künstler nicht, sondern ricf ihn zu sich.
„Es war ihm zum Heil, es riß ihn nach oben". Es war der Anlaß zu
Michelangelos erstem römischen Aufenthalt von 1496—1501.
Am Sonnabend den 25. Juni zog Michelangelo durch die ?orta ckol
popolo gleich Goethe in die ewige Stadt ein, von deren damaligen Ver-
hältnissen, Sammlungen, Kunstzuständen uns der Abschnitt 10 des Freyschen
Buchs eine eingehende, interessante Schilderung gibt (S. 254/84). Zwei
ansehnliche Bestellungen zeugten sofort von dem Vertrauen, das Kunstfreunde
 
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