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März 1909

Einunbfünfzigster Jahrgang

Nr. 3

Christliches Kunstblatt

Herausgegeben

von David Koch

für Kirche, sss
Schule und Haus
Erscheint monatl. in einem Heft zu
32 S. u. enthält viele Textillustr.
1—2 Kunstbeil. u. bisweilen Noten


Preis für das Vierteljahr 2 M.
Zu beziehen durch alle Post-
ämtern. Buchhandlungen

Eugene Burnands „Gleichnisse Jesu"
Mit 2 Abbildungen
1. Die Ausstellung im Pariser „Salon" 1908
war wie ein stilles Heiligtum.
^»Mn zwei Nachmittagen war ich durch die Riesenräume des Pariser
„Salon" gewandert. Zuerst durch die Lxpo8ition cies PrtiZtes kran9ai868 und
dann durch die Locietc nationale ciea 6eaux-art8. Ich habe gewaltigen
Respekt vor der französischen Kunst bekommen. Die Barbizonisten haben
nicht umsonst gelebt: Die Landschaftsbilder, die ich sah, zeugten von feinstem
Mitfühlen mit den tiefsten Geheimnissen der Natur, das Meer und der stille
Abend auf einem französischen Hochplateau, das Flußufer und die Obstbäume
der Normandie waren in ihrem innersten Leben geschaut. Die Seele des
charmant pa^8 äe Trance redete. Und dann der bedeutende Fortschritt,
den unsere Zeit bisher noch mehr ahnte, als sah: das Gegenständliche in
der Kunst! Eine Menge Bilder, die nicht bloß Stimmungen wiedergeben,
sondern Charaktere widerspiegeln. Soziales, Patriotisches, Sentimentales,
jene Mischung von kindlicher Heiterkeit und grausamer Lüsternheit, die den
französischen Nationalcharakter zugleich anziehend und abstoßend macht —
die Seele des französischen Volkes redete aus diesen Bildern — das Spritzige
und Prickelnde, der Stich ins Theatralische, und dann wieder das Naive,
herzgewinnende. Und endlich das Sehnen und Suchen nach neuer Volks-
kraft, nach großen Zeiten, nach befreienden Erlebnissen.
Aber wie gering ist der Ertrag an religiöser Kunst in all den Tausenden
von Bildern! Wohl findet man hie und da eine „Geburt Christi", ein
„Gethsemane", einen „Kruzifixus" — aber ohne den geringsten seelischen
Gehalt. Bloßer dramatischer Aufputz, der kümmerlich die völlige religiöse
Verarmung verhüllt. Und daneben prunkvolle Zeremonialbilder: goldgestickte
Meßgewänder und Weihrauchnebel unter dämmernden Kathedralgewölben.
Kirche, aber keine Religion! Spricht auch da die Seele des französischen
Volkes? Ich denke an einige treffliche französische Priester, die ich kennen
lernte. Voll Hingabe an ihr Amt, voll selbstverleugnender Liebe, voll
 
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