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November 1909 Einundfünfzigster Jahrgang

Nr. 11

Christliches Kunstblatt

für Kirche, sss
Schule und Haus
Erscheint nwnatl. in einem Heft zu
32 S. u. enthält viele Textillustr.
1—2 Kunstbeil. u. bisweilen Noten


Herausgegeben von
O.tbeoI.DavidKoch
Preis für das Vierteljahr 2 M.
Zu beziehen durch alle Post-
ämter». Buchhandlungen

Altarschmuck am Erntedankfest
Eine Frage protestantischer Aesthetik
sprachen miteinander davon, wie es die katholische Kirche verstehe,
-4^die poetischen Mächte der Natur religiös-kirchlich in allerlei symboli-
schen Handlungen zu verklären, wie sie Wasser und Brot, Speise und
Trank, Blumen und Früchte dem Menschen weihe. Mein Freund, ein
bekannter theologisch vorgebildeter Kunsthistoriker, betonte, wie gerade in
diesem liebenswürdigen Zuge, der der poetischen Anlage des Menschen-
herzens entgegenkommt, eines jener Geheimnisse liege, durch das auch dem
denkenden Katholiken, ja dem Modernisten, über manchen dogmatischen
Berg hinübergeholfen werde.
Wir Protestanten sind Intellektualisten vom reinsten Wasser geworden.
Die Angst, ja nicht bei den hochverehrten und respektierten Herren von der
Naturwissenschaft als rückständig verachtet zu werden, verleitet so viele,
ein Bollwerk des Wunderbaren um das andere in unsrem protestantischen
Glauben preiszugeben. Wir haben die Religion zu einem Objekt wissenschaft-
lichen Beweises gemacht, um der Religion eine neue Daseinsberechtigung zu
geben. Wir haben das Ventil gezogen und die Wunderkräfte nach oben und
von oben entlassen — um besser, wissenschaftlicher in die Höhe zu steigen.
Kommen wir wirklich höher? Wendet sich nicht von dieser chemisch reinen,
Wunderbazillus freien Religion eins große Masse ab, die aus wissenden
Leuten des Volkes sich zusammensetzt? — Halten wir nicht die Teile in der
Hand und haben das geistige Band zerschnitten? Ist nicht eben das
Wunder nicht nur des Glaubens liebstes Kind, sondern auch das Band des
Geistes, das die geheimnisvolle Lebenskette des Einzelnen und der Gesamt-
heit zusammenhält? Die Einheit des Katholizismus ist etwas Wunderbares.
Man sagt, sie werde durch die Despotie des Papsttums erreicht. Wer
wie ich, unter den Katholiken lebt, der hat oft andre Gedanken. Mir will
oft scheinen, als sei eine sehr starke Kette, mit der der Katholizismus die
Massen bindet — seins verständnisvolle Verwertung des Naturzusammen-
hangs, in welchem der erdgeborene Mensch mit der Mutter Natur steht.
 
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