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heutigen Leben sind ? Jedes Gesicht, jede Haltung, jede Gebärde ? Das,
was man bei Gebhardt oft als Poſe empfindet, iſt nicht Theater, ſondern
eigenes, leidenschaftliches Temperament. Man ehe sich einmal die Leute
und den Heiland auf der neuen Bergpredigt an. Wenn ſich Geb-
hardt da und dort verhaut, so iſt es nicht zu wenig, sondern zu viel
Realismus.
Hohe Kunſt iſt doch wohl: für ein tiefes religiöses Gefühl einen adäquaten
Ausdruck zu finden. Hätte Gebhardt dieſe Gefühlstöne einfach den Alt-
deutschen und Niederländern abgeguckt, ſo wäre Gebhardt Jmitator. Aber
Peter Behrens Innenraum des Krematoriums in Hagen i. W.
man abstrahiere einmal von der Gewandung, die ja auch Gebhardt als völlig
nebensächlich betrachtet, worüber er sich deutlich ausgesprochen hat, wie Franz
Bock gewiß wissen wird und betrachte die obengenannten Bilder Gebhardts,
nach der Fähigkeit, seeliſche, religiöse Gefühle auszulösen in Gesicht und Hal-
tung und Komposition der Gestalten + kann das ein bloßer JImitator, der
„Die Charakteriſtik zum Angelpunkt seiner Kunst gemacht hat“ ? Man betrachte
den Chriſtustyp auf Abendmahl I, Nikodemus, Bergpredigt I. und II., Lazari
Auferweckung. Sind das nicht neue Töne, die Gebhardt fand ? Gebhardt
iſt ebenſo ein Chriſtusſucher, wie Uhde. Uhde hat mir ja erzählt, daß ihm
Gebhardt am Anfang seiner Laufbahn eine Chriſtusmaske ſandte –~ und
beide sind ihr Leben lang von diesem Suchen — unter realen Menſchen be-
sſeelt gewesen. Man betrachte die Frauengestalten Gebhardts. Sind das
heutigen Leben sind ? Jedes Gesicht, jede Haltung, jede Gebärde ? Das,
was man bei Gebhardt oft als Poſe empfindet, iſt nicht Theater, ſondern
eigenes, leidenschaftliches Temperament. Man ehe sich einmal die Leute
und den Heiland auf der neuen Bergpredigt an. Wenn ſich Geb-
hardt da und dort verhaut, so iſt es nicht zu wenig, sondern zu viel
Realismus.
Hohe Kunſt iſt doch wohl: für ein tiefes religiöses Gefühl einen adäquaten
Ausdruck zu finden. Hätte Gebhardt dieſe Gefühlstöne einfach den Alt-
deutschen und Niederländern abgeguckt, ſo wäre Gebhardt Jmitator. Aber
Peter Behrens Innenraum des Krematoriums in Hagen i. W.
man abstrahiere einmal von der Gewandung, die ja auch Gebhardt als völlig
nebensächlich betrachtet, worüber er sich deutlich ausgesprochen hat, wie Franz
Bock gewiß wissen wird und betrachte die obengenannten Bilder Gebhardts,
nach der Fähigkeit, seeliſche, religiöse Gefühle auszulösen in Gesicht und Hal-
tung und Komposition der Gestalten + kann das ein bloßer JImitator, der
„Die Charakteriſtik zum Angelpunkt seiner Kunst gemacht hat“ ? Man betrachte
den Chriſtustyp auf Abendmahl I, Nikodemus, Bergpredigt I. und II., Lazari
Auferweckung. Sind das nicht neue Töne, die Gebhardt fand ? Gebhardt
iſt ebenſo ein Chriſtusſucher, wie Uhde. Uhde hat mir ja erzählt, daß ihm
Gebhardt am Anfang seiner Laufbahn eine Chriſtusmaske ſandte –~ und
beide sind ihr Leben lang von diesem Suchen — unter realen Menſchen be-
sſeelt gewesen. Man betrachte die Frauengestalten Gebhardts. Sind das