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April 1910 Zweiundfünfzigster Jahrgang r. .

Christlich (; Lunstblati

| für Kirche, =-
| Schule und Haus






Herausgegeben von
D.theol. DavidKoch





J Erscheint monatl. in einem Heft zu j
32 S. u. enthält viele Textilluſtr.,
1—2 Kunstbeil. u. bisweilen Noten

Preis für das Vierteliahr 2 M.
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Mendelssohns religiöse Musik

CVD eder wahre MüUsiter iſt religiös veranlagt. Denn Musik iſt der gehobene
&) Ausdruck für inneres Empfinden und aus kaltem Herzen quillen keine
warmen Melodien. Musik und Religion: sie beide wurzeln im Gefühls-
leben des Menſchen. Beide aber sind auch Wandlungen unterworfen und
ſowohl die Musik wie die Religion haben im Lauf der Zeit Formen ange-
nommen, die den urſprünglichen Charakter manchmal nur roch schwer er-
kennen lassen.

Nicht jeder Musiker ſchreibt nun religiöſe Musik. Auch das bunte Leben
hat seine Rechte. Und schon im Altertum wie im ganzen Mittelalter
erklingt das Spielmannslied neben dem Choral. Wenn wir bis in die
Bachſche Zeit hinein die zwei großen Gruppen der weltlichen und geistlichen
Muſik unterſcheiden, so haben wir damit in der Tat die beiden Grund-
faktoren, aus denen ſich Musik immer zusammengesetzt hat und immer
zuſammensetzen wird. Ja, bis in die neueste Zeit hinein empfinden wir
dieſen Parallelismus und heute noch setzen unsere Symphoniker das Scherzo
dicht neben das Andante.

Auch in Mendelssohn waren beide muſikaliſchen Kräfte gleich leben-
dig. Und zwar von Anfang an. Der Zwölfjährige ſchrieb nicht nur kleine,
gefällige Klavierstücke, sondern auch eine Kantate und einen Pſalm. Der
Siebzehnjährige schuf nicht nur die von derbſtem Humor und duftigstem
Elfenzauber erfüllte Ouvertüre zu Shakespeares „Sommernachtstraum“, son-
dern auch ein inbrünsſtiges Kyrie. Und so iſt es während seines ganzen Lebens
geblieben: neben dem Witz und der Eleganz meldet sich unmittelbar
das tiefe religiöse Gefühl, das sich in so manchen seiner Andantes offenbart.
Er ſchuf die geiſtvollſten Capriccios und daneben Psalmen und Kantaten,
er ſchuf die heitere „Walpurgisnacht“ und daneben den „Elias“ und den
„Paulus“. In seinen (viel zu ſchnell vergessenen) Liedern vereinigt das
Op. 19 die lustige, dahinhuſchende „Neue Liebe“ von Heine mit dem tief-
frommen „,Frühlingslied“ und der Komponiſt der wehmütigen Melodie
„Es iſt beſtimmt in Gottes Rat“ hat auch eine ganze Anzahl von Früh-
lings- und Maienliedern hinterlassen. :
 
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