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über seine Langlebigkeit auch im einzelnen instruiert; zumal das geschnitzte
Ornament leiſtet Widerſtand, während das gemalte die Renaissance ſchneller
annimmt. Inmitten neuer Formen hält oder verrät sich immer noch der
gotiſche Flügelaltar und zeigt mannigfache Beispiele von einem interessanten
Ringen zweier Stilphaſen. Gotiſche Höhenrichtung und spätere Breiten-
richtung wirken gegeneinander; und angeblich wird von einem bloßen
Nebeneinandersſtehen gotiſcher Altarformen in der Renaissance zu einheit-
licheren Kompositionen fortgeschritten (sonst zeichnet sich die beſte Gotik ge-
rade durch ein Auseinander und Jneinander ihrer Kompoſitionen aus).
Die Pietät der erſten Hälfte des 17. Jahrhunderts lasse alten gotiſchen
Schmuck in neue Altaranlagen einfügen; die schlanke und leichte Aufbau-
form des gotiſchen Altarbauers halte auch noch bei wuchtigeren Formen
ſtand; und die gotiſche Fiale lebe als ſchlanke Pyramide fort. Besonders
die ländlichen Altäre lassen den „alten Geist der Gotik mit seiner Freude
an reichen Schnitzereien“ in anderem Gewand wieder aufleben. Erſt das
Rokoko führe von diesen Traditionen weg und ziehe in seinen Altären
„gleichham die Glorie des Himmels auf die Erde herab im vollen
Gegensatze zu den faſt körperloſen Altaranlagen der Gotik“; sollen diese
dem Chriſten ein Fingerzeig. zum Höchſten sein, so lassen ihn jene ſchon
hier auf Erden die Herrlichkeiten des Jenseits ſchauen.

Die Plaſtik lebt während all dessen als die eigentlich volksttzmliche
Kunſt weiter, zumal als die ländliche gegenüber der mehr ſstädtiſchen Malerei.
Zahlreiche Künstlernamen vermehren den Beſstand unserer kunſthiſtoriſchen
Kenntnisse, aber auch unseres nationalen Verständnisses. So tritt in der
Kunst des Altarbaues und ſeiner plaſtiſchen Ausstattung z. B. der Mün-
chener Meiſter Andreas Faiſtenberger (1616-1735) hervor. Er gehe, „was
namentlich mit der Schnitt technik zuſammenhängt, ins Detail weit tiefer
ein als die italieniſchen Künstler, deren Arbeiten bei aller Virtuosität
nicht selten große äußerliche Flüchtigkeit anhaftet“. Und auch sonst inter-
eſsſiert uns die Standhaftigkeit heimiſcher Tradition gegen italieniſchen
Einfluß. In dem ſsteten Hin und Her bewähren sich immer wieder eine
von vornherein national gegebene Freiheit und Selbständigkeit der Phan-
taſie, eine besondere Andacht zum Detail, nicht zuletzt ein Widerſtreit
des heimiſch beliebten Sakramentshäuschens gegen den Tabernakel im
Altar, allerdings mit unvermeidlichem ſchließlichem Nachgeben. Ebenso
ſiegt auch sonst, besonders wo die Vorteile allzu schlagend sind, der italie-
niſche Einfluß mit seinem Streben nach einheitlicher klarer Konſtruktion,
auch bei Momentanität einer dargestellten Handlung, und mit seiner Aus-
bildung der Gebälk- und Säulenwelt. Der italieniſche Säulenaltar dringt
allmählich gegenüber dem deutſchen Schreinaltar ein; und dem altbayeri-
schen Künſtler mit seiner Freude an dem ornamentalen Detail sowie an
der Dekoration wächſt im Hochbarock die architektoniſche Gestaltung über
den Kopf. —

Wir haben uns ſchwerlich zu lange mit dem Verfasser des. ,„Altar-
 
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