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Was das kleine Kind ſchön und wertvoll findet, iſt dem älteren Kinde
gleichgültig und wertlos. Wie alle Seelenkräfte machen auch die, auf denen
die Kunst, die Aesthetik beruhen, ihre bestimmte Entwicklung durch. Man
darf von dem Alter zwiſchen 6 bis 14 bezw. 16 durchaus nicht dasselbe er-
warten, was von dem reiferen möglich iſt, weder im Reich der Töne noch
der Farben noch der plaſtiſchen Darstellung.

Aber auch die Anlage spielt eine große Rolle. Nicht etwa quantitativ,
sondern qualitativ iſt die Anlage für Kunstempfänglichkeit verſchieden. Für









Aus :: Kehrer, Die heiligen 3 Könige
Verlag E. A. Seemann, Leipzig

Muſik iſt das allgemein zugesſtanden. Daß es für Farbenblinde keine völlige
Kunstempfänglichkeit geben kann, wird unbestreitbar sein. Und daß Kinder
ein Verständnis für Plastik eben nicht haben, läßt sich leicht beobachten. Es
gibt Leute, die für den künſtlerischen Genuß so gut wie unempfänglich sind,
und es gibt andere, denen solcher erſt auf Umwegen zum Genuß wird,
3z. B. wenn ein musikalischer Menſch an der Fingerfertigkeit und an der
mathematiſch-musikaliſchen Komposition Gefallen gewinnt, was dann aller-
dings gewiß nicht das so heftig begehrte einfache Wirkenlassen des spontanen
Eindrucks iſt. Oder ähnlich, wenn z. B. an einem Redner oder Deklamator
lediglich die Verwendung und der Verbrauch der Stimmittel bewundert wird

uſw. Eins aber steht feſt: Fehlende Anlage kann man niemand eintrichtern.
 
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