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Aber dabei blieb es nichtt Munkacſys Gefängnisbild ſchlug durch, und Jo ſehr,
daß man nur aus dem Schwarz heraus zu arbeiten als anſtändig anſah.
Munkacſhys Wort „,„Beinſchwarz iſt das lieblichſte Rot“ wurde akzeptiert, aber
da erſchien Makarts Art mit dem Goldton. Dann kamen wieder das Hellmalen
und alle die neueſten Modetorheiten an die Oberfläche. Keine Mode dauerte aber
lange genug, um wirklich erfaßt zu werden, nur erſchnappt wurde sie und dann
wieder fallen gelaſſen. Durch den ſteten Wechsel wurden die talentvollen Farben-
genies in die ſtärkſten Schwankungen versetzt. Wenn die tüchtigſsten Koloriſten
ein Bild angefangen hatten, und irgendwo Gelb ſtehen hatten, ſo konnte man
sicher sein, daß später Violett an die Stelle kam. Direktionslos und prinziplos
folgte man einer unsicheren Empfindung, und jeder bunte Lappen, der zufällig
am Boden lag, brachte einen dazu, das ganze Bild yzizzftirttteen Da wurde
ich endlich stutzig.
Wenn ich sage, daß im Können, der Beherrſchung aller Mittel, die in
der Kunſt zur Anwendung kommen, die Grundlage der Kunſt beſteht, weil nur
dann einer ſeine Gedanken unbehindert ausſprechen kann, wenn ihm die Rede
geläufig iſt, ſo wird dem kaum einer widerſprechen. Wenn ich ferner behaupte,.
daß jedes Können sich durch Tradition entwickelt, das heißt durch Anlehnung
an früher gemachte Erfahrungen, so werden diejenigen, die dem widerſprechen,
ihren Widerſpruch kaum aufrechterhalten können; denn von allen sogenannten
neuen Richtungen, die ich seit fünfunddreißig Jahren in ihrem ſchnellen Auf-
einanderfolgen beobachtet habe, könnte keiner ſagen, daß sie ohne Anlehnung
an früher Dageweſenes hätte entſtehen können; am wenigſten können die
Vertreter irgendeiner Richtung, die sich als Gruppe zuſammenfasſsen laſſsen,.
unbeeinflußt jeder ganz originell für ſich daſtehen; ſachlich iſt es ja gleich-
gültig, wie lang oder kurz die Reihe derer iſt, auf die einer sich ſtütztt: jedes
Übernehmen von Vorhandenem iſt Tradition. Meine Behauptung aber iſt
die, daß die ganze Neuzeit an der Unzulänglichkeit ihrer Tradition krantt,
weil die nötigen Vorbedingungen, die eine geſunde Tradition erzeugen, fehlen.
Um nun aber klarzuſtellen, wie ich zu dieſer Behauptung gekommen bin,
muß ich wieder die eigenen Erfahrungen, die mich dazu gebracht haben, aus-
einandersetzen.
Als Schüler fiel es mir außerordentlich ſchwer, eine Skizze zu ſtimmen..
und ich habe mich bei wenig natürlichem Farbenſinn unendlich lang geplagt,
ohne irgendeinen Halt, irgendeine Sicherheit zu erlangen. Ich habe jetzt
wieder meine Briefe in die Hand bekommen, in denen ich gläubig und ver-
trauensvoll alle Lehren, die ich von meinen Lehrern erhielt, genau referierte.
Es ist mir jetzt ganz klar, daß diese Hinweiſungen nicht imſtande waren, mir
einen sicheren Halt zu geben. Später wurde ich dann noch irre, denn ich
ſah, daß ein sehr farbenbegabter Menſch im Grunde ebenſo unsicher war und
niemals ein Bild mit Sicherheit anfing und vollendete. Ich ſah auch, daß.
bei dem Tappen und Probieren die Delikateſſe und Freude am Machen
verloren ging und der Schein der leichten Mache mit unendlicher Mühſelig-
keit hergeſtellt wurde. Bei den alten Meiſtern hingegen war es mir auf-
fallend, daß sie mit der größten Leichtigkeit und Sicherheit die Wirkung, die
sie erreichen wollten, vom Anfang bis zum Ende auch erreichten, und ſelten
Spuren der Unsicherheit und des Probierens bemerkt werden können. Auch
ſuchte ich vergeblich nach unharmoniſchen Bildern, auch bei ſolchen Künltlern,
die augenscheinlich nicht viel Sinn für reizvolle Stimmung hatten; denn
trotz des mangelnden Reizes waren ſie vernünftig und in gewissem Sinne
harmonisch. Dieſe Sicherheit in der Verwendung der Mittel ſchien mir auch
in auffallend kurzer Zeit erworben zu sein, denn bei den Jugendbildern alter
Meiſter tritt sie ebenſo erkennbar auf, wie später, wo die Künſtler ſich ihre
Aber dabei blieb es nichtt Munkacſys Gefängnisbild ſchlug durch, und Jo ſehr,
daß man nur aus dem Schwarz heraus zu arbeiten als anſtändig anſah.
Munkacſhys Wort „,„Beinſchwarz iſt das lieblichſte Rot“ wurde akzeptiert, aber
da erſchien Makarts Art mit dem Goldton. Dann kamen wieder das Hellmalen
und alle die neueſten Modetorheiten an die Oberfläche. Keine Mode dauerte aber
lange genug, um wirklich erfaßt zu werden, nur erſchnappt wurde sie und dann
wieder fallen gelaſſen. Durch den ſteten Wechsel wurden die talentvollen Farben-
genies in die ſtärkſten Schwankungen versetzt. Wenn die tüchtigſsten Koloriſten
ein Bild angefangen hatten, und irgendwo Gelb ſtehen hatten, ſo konnte man
sicher sein, daß später Violett an die Stelle kam. Direktionslos und prinziplos
folgte man einer unsicheren Empfindung, und jeder bunte Lappen, der zufällig
am Boden lag, brachte einen dazu, das ganze Bild yzizzftirttteen Da wurde
ich endlich stutzig.
Wenn ich sage, daß im Können, der Beherrſchung aller Mittel, die in
der Kunſt zur Anwendung kommen, die Grundlage der Kunſt beſteht, weil nur
dann einer ſeine Gedanken unbehindert ausſprechen kann, wenn ihm die Rede
geläufig iſt, ſo wird dem kaum einer widerſprechen. Wenn ich ferner behaupte,.
daß jedes Können sich durch Tradition entwickelt, das heißt durch Anlehnung
an früher gemachte Erfahrungen, so werden diejenigen, die dem widerſprechen,
ihren Widerſpruch kaum aufrechterhalten können; denn von allen sogenannten
neuen Richtungen, die ich seit fünfunddreißig Jahren in ihrem ſchnellen Auf-
einanderfolgen beobachtet habe, könnte keiner ſagen, daß sie ohne Anlehnung
an früher Dageweſenes hätte entſtehen können; am wenigſten können die
Vertreter irgendeiner Richtung, die sich als Gruppe zuſammenfasſsen laſſsen,.
unbeeinflußt jeder ganz originell für ſich daſtehen; ſachlich iſt es ja gleich-
gültig, wie lang oder kurz die Reihe derer iſt, auf die einer sich ſtütztt: jedes
Übernehmen von Vorhandenem iſt Tradition. Meine Behauptung aber iſt
die, daß die ganze Neuzeit an der Unzulänglichkeit ihrer Tradition krantt,
weil die nötigen Vorbedingungen, die eine geſunde Tradition erzeugen, fehlen.
Um nun aber klarzuſtellen, wie ich zu dieſer Behauptung gekommen bin,
muß ich wieder die eigenen Erfahrungen, die mich dazu gebracht haben, aus-
einandersetzen.
Als Schüler fiel es mir außerordentlich ſchwer, eine Skizze zu ſtimmen..
und ich habe mich bei wenig natürlichem Farbenſinn unendlich lang geplagt,
ohne irgendeinen Halt, irgendeine Sicherheit zu erlangen. Ich habe jetzt
wieder meine Briefe in die Hand bekommen, in denen ich gläubig und ver-
trauensvoll alle Lehren, die ich von meinen Lehrern erhielt, genau referierte.
Es ist mir jetzt ganz klar, daß diese Hinweiſungen nicht imſtande waren, mir
einen sicheren Halt zu geben. Später wurde ich dann noch irre, denn ich
ſah, daß ein sehr farbenbegabter Menſch im Grunde ebenſo unsicher war und
niemals ein Bild mit Sicherheit anfing und vollendete. Ich ſah auch, daß.
bei dem Tappen und Probieren die Delikateſſe und Freude am Machen
verloren ging und der Schein der leichten Mache mit unendlicher Mühſelig-
keit hergeſtellt wurde. Bei den alten Meiſtern hingegen war es mir auf-
fallend, daß sie mit der größten Leichtigkeit und Sicherheit die Wirkung, die
sie erreichen wollten, vom Anfang bis zum Ende auch erreichten, und ſelten
Spuren der Unsicherheit und des Probierens bemerkt werden können. Auch
ſuchte ich vergeblich nach unharmoniſchen Bildern, auch bei ſolchen Künltlern,
die augenscheinlich nicht viel Sinn für reizvolle Stimmung hatten; denn
trotz des mangelnden Reizes waren ſie vernünftig und in gewissem Sinne
harmonisch. Dieſe Sicherheit in der Verwendung der Mittel ſchien mir auch
in auffallend kurzer Zeit erworben zu sein, denn bei den Jugendbildern alter
Meiſter tritt sie ebenſo erkennbar auf, wie später, wo die Künſtler ſich ihre