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Schwank, eine Posse ohne gelegentlichen Ernſt wirkt ermüdend. Noch er-
müdender aber eine Oper, ein Drama, die in stets gehobener ernſter Stim-
mung ſfortſchreiten.
Das natürliche Genie eines Homer hat dies meiſterlich eriannt: mitten
im Kampfgetümmel kommt der Humor zu ſeinem Recht. Das ,homeriſche
Gelächter“ friſcht die Geiſter auf und gibt dem Ernſte neue Kraft. In
den ersſchütterndſten Trauerſpielen Shakespeares fehlen nie die köſtlichſten
Szenen voll derben oder feinen Humors.
Wie geht doch die Übersſpanntheit irre, die bei der Erziehung des
Kindes zur Kunſt Humor und Karikatur verbannt wissen will, und etwa
den Struwwelpeter verdammt, weil er den Kunſtgeſchmack des Kin-
des verderbe.
Gewiß kann der Struwwelpeter den Geschmack für das Schöne nicht
bilden, ſo wenig wie Wilhelm Buſch. Aber es iſt unglaublich, zu behaupten,
das Kind werde dem Struwwelpeter gemäß seine Schönheitsideale ſich
bilden!’ Neint In diesen Blättern findet es unbewußt den ſchalkhaften,
erfriſchenden Humor, die satiriſche Karikatur. Das normale Kind hat für
Karikatur ein Verſtändnis, das seinen Schönheitssſsinn durchaus nicht be-
leidigt.
Man gebe dem Kinde regelmäßig eine Mappe mit illuſtrierten Zeitſchrif-
ten in die Hand und man wird in der Regel finden, daß es zuerſt nach
dem Kladderadatſch und den Fliegenden Blättern greift.
Man gebe dem gereifteren Kinde, das ſich an Wilhelm Buſch und dem
Struwwelpeter königlich ergötzt, daneben Ludwig Richter in die Hand oder
meinetwegen sogar Raffael, es wird niemals im Zweifel sein, daß die
Gestalten der letzteren Künſtler weit schöner seien und ihm besser gefallen
als die Karikaturen; aber letztere beluſtigen es und es lacht gerne: lassen
wir ihm das Recht zu lachen und lassen wir der Kunſt das Recht zu erheitern;
ſei es durch Grützners heitere Szenen, sei es durch Buſchs Karikaturen.
Durch den Gegensatz wird der Sinn für das wahrhaft Schöne nur gefördert.
Immer nur äſthetiſch Schönes sehen, ermüdet und ſchadet dem lebhaften
Schönheitssinn. Unter vielen ſchönen Gesichtern geht das einzelne, viel-
leicht gerade das ſchönſte, verloren, das in minder schöner Umgebung erſt
in seiner hervorragenden Schönheit erkannt wird.
Eine gute Karikatur wirkt nie geſchmackverderbend; und der Sinn für
die Karikatur ſteht durchaus in keinem Gegensatz zum Schönheitssinn.
Leider leiſten gerade die Kinderbücher in Wort und Bild oft das witz-
und geiſtloſeſte an Humor; das heißt sie wollen humoriſtiſch sein und bieten
eine widerliche Mache, Künſtelei und keine Kunst, Trivialität und Abge-
ſchmacktheit. Solche Bücher wirken geschmackverderbend, wenn man sie dem
Kinde aufdrängt, das sie in gesundem Gefühl meiſt von sich aus ablehnen
wird. Dafür wollen wir ihm die wenig wirklich guten humoriſtiſchen Bil-
derbücher, den Struwwelpeter, Wilhelm Buſch, Oberländer, Meggendorfer
und einiger Neueren, soweit sie für die Jugend in Betracht kommen,
Schwank, eine Posse ohne gelegentlichen Ernſt wirkt ermüdend. Noch er-
müdender aber eine Oper, ein Drama, die in stets gehobener ernſter Stim-
mung ſfortſchreiten.
Das natürliche Genie eines Homer hat dies meiſterlich eriannt: mitten
im Kampfgetümmel kommt der Humor zu ſeinem Recht. Das ,homeriſche
Gelächter“ friſcht die Geiſter auf und gibt dem Ernſte neue Kraft. In
den ersſchütterndſten Trauerſpielen Shakespeares fehlen nie die köſtlichſten
Szenen voll derben oder feinen Humors.
Wie geht doch die Übersſpanntheit irre, die bei der Erziehung des
Kindes zur Kunſt Humor und Karikatur verbannt wissen will, und etwa
den Struwwelpeter verdammt, weil er den Kunſtgeſchmack des Kin-
des verderbe.
Gewiß kann der Struwwelpeter den Geschmack für das Schöne nicht
bilden, ſo wenig wie Wilhelm Buſch. Aber es iſt unglaublich, zu behaupten,
das Kind werde dem Struwwelpeter gemäß seine Schönheitsideale ſich
bilden!’ Neint In diesen Blättern findet es unbewußt den ſchalkhaften,
erfriſchenden Humor, die satiriſche Karikatur. Das normale Kind hat für
Karikatur ein Verſtändnis, das seinen Schönheitssſsinn durchaus nicht be-
leidigt.
Man gebe dem Kinde regelmäßig eine Mappe mit illuſtrierten Zeitſchrif-
ten in die Hand und man wird in der Regel finden, daß es zuerſt nach
dem Kladderadatſch und den Fliegenden Blättern greift.
Man gebe dem gereifteren Kinde, das ſich an Wilhelm Buſch und dem
Struwwelpeter königlich ergötzt, daneben Ludwig Richter in die Hand oder
meinetwegen sogar Raffael, es wird niemals im Zweifel sein, daß die
Gestalten der letzteren Künſtler weit schöner seien und ihm besser gefallen
als die Karikaturen; aber letztere beluſtigen es und es lacht gerne: lassen
wir ihm das Recht zu lachen und lassen wir der Kunſt das Recht zu erheitern;
ſei es durch Grützners heitere Szenen, sei es durch Buſchs Karikaturen.
Durch den Gegensatz wird der Sinn für das wahrhaft Schöne nur gefördert.
Immer nur äſthetiſch Schönes sehen, ermüdet und ſchadet dem lebhaften
Schönheitssinn. Unter vielen ſchönen Gesichtern geht das einzelne, viel-
leicht gerade das ſchönſte, verloren, das in minder schöner Umgebung erſt
in seiner hervorragenden Schönheit erkannt wird.
Eine gute Karikatur wirkt nie geſchmackverderbend; und der Sinn für
die Karikatur ſteht durchaus in keinem Gegensatz zum Schönheitssinn.
Leider leiſten gerade die Kinderbücher in Wort und Bild oft das witz-
und geiſtloſeſte an Humor; das heißt sie wollen humoriſtiſch sein und bieten
eine widerliche Mache, Künſtelei und keine Kunst, Trivialität und Abge-
ſchmacktheit. Solche Bücher wirken geschmackverderbend, wenn man sie dem
Kinde aufdrängt, das sie in gesundem Gefühl meiſt von sich aus ablehnen
wird. Dafür wollen wir ihm die wenig wirklich guten humoriſtiſchen Bil-
derbücher, den Struwwelpeter, Wilhelm Buſch, Oberländer, Meggendorfer
und einiger Neueren, soweit sie für die Jugend in Betracht kommen,