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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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1. Heft
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Voss, Hermann: Die Zerstörung Messinas
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0024

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10

Der Cicerone

Heft 1

Marmorkanzel des Andrea Calamech, die Chorstühle von Giorgio Veneziano
(1540) und einige Statuen der Gaggini. Ebenso rührt von einem der Gaggini eine
Madonnenstatue in S. Francesco her, die — allerdings wohl mit Unrecht — sehr ge-
rühmt worden ist. Montorsoli, dessen Fontänen als zwei Wahrzeichen der Stadt gelten
dürften, schuf auch die 12 Kapellen im Innern des Domes mit den Statuen der Apostel.

Mit dem 17. Jahrhundert beginnt für Messina wie für andere Städte des italie-
nischen Südens ein bedeutender künstlerischer Aufschwung; und was gerade Messina
uns noch über den Barock zu lehren gehabt hätte, ist kaum abzusehen. Auch wenn
wir zu hoffen wagen, daß mehr davon gerettet sei als die letzten Nachrichten er-
warten lassen, ist doch der Faden der historischen Untersuchung grausam abgeschnit-
ten worden, und es wird lange dauern, bis die begonnenen Studien weitergeführt
werden können. Von den großartigen und zum Teil auch wieder intimen Anlagen
des Barock sind in erster Linie zu nennen: die Kirche S. Gregorio, deren phantasie-
volle Fassade man dem Padre Guarini von Turin zuweist, die großartige, von Carlo
Marchioni 1765 begonnene Kirche S. Maddalena, die im Inneren mit den macht-
vollsten oberitalienischen Hochrenaissance-Anlagen wetteifert und die Annunziata am
Corso Cavour. Eine wirkungsvolle, durch die Perspektive des Hofes bemerkenswerte
Anlage ist der Monte di Pieta; mächtig in der Intention die sog. Palazzata, die Häuser-
reihe am Hafen, hinter deren einheitlich durchgebildeter Fassade Häuser verschiedener
Größe und Beschaffenheit lagen. Die beständige Furcht vor Erdbeben hat verhindert, daß
diese Anlage ebenso großartig wie sie geplant war, hat zu Ende geführt werden können.

An kleineren barocken Kirchen und Konventen ist Messina überreich: eine be-
sondere Art kleiner Kirchen, die Zusammenkunftsorte der Confraternitä, ist bemerkens-
wert durch die guten Gemälde, die man an den Seitenwänden wie auf den Altären
anzutreffen pflegt.

In der Malerei hat nur Antonello da Messina seine Vaterstadt allgemein
bekannt gemacht; aber nach Vasaris Vorgang hat man fast alle Ehre auf die spätere
Heimat des Meisters, Venedig, abgeschoben. Wenigstens das beglaubigte Altarwerk
Antoneilos, die thronende Madonna mit Heiligen und Verkündigung, von 1463 datiert,
hat man der Geburtsstadt nicht nehmen können, wie denn auch andere Bilder aus
dem Kreise des Meisters in mehreren Kirchen zu Zeugen für ein näheres Verhältnis
zu seiner eigentlichen Heimat aufgerufen werden könnten.

Weit weniger bekannt geworden ist Girolamo Alibrandi, den die Sizilianer
als ihren Raffael verehren, und dessen „Darstellung im Tempel“ von 1518 in S. Nic-
colö durch ungewöhnliche Schönheit der Farbe und bedeutende Auffassung überrascht.

ln späteren Zeiten sind besonders viele Nichtsizilianer in Messina tätig gewesen,
ein Umstand, auf den ich in den „Charakterköpfen des Seicento“, die in den Monats-
heften für Kunstwissenschaft erschienen sind und erscheinen, noch näher eingehen
werde; zu den hervorragendsten Werken solcher Meister zähle ich den „Tod des hl.
Franz“ von Schedone (Oratorio di S. Francesco), die beiden Altartafeln des Cara-
vaggio im Museum und die „Enthauptung des Täufers“ in S. Giovanni Decollato.
Ferner ward für Messina gearbeitet eines der schönsten Altarbilder des Guercino, die
Madonna in Wolken mit Heiligen unten, darunter der hl. Johannes (in S. Gregorio).
 
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