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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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1. Heft
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Denkmalpflege
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Entdeckungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0042

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28

Der Cicerone

Heft 1

Dann aber ist auch der wirkliche Kunstwert
des Bauwerks ein unersetzlicher und wiederum
doppelter. Zunächst muß die Fassade selbst in
ihrer originellen Massenverteilung, ihrer male-
rischen Umrißlinie, ihrer sparsamen aber fein
abgestuften Gliederung und weisen Zusammen-
fassung der Mittel als Meisterstück bezeichnet
werden. Das Haus, bestimmt zur Äufnahme
des Kunstbesitzes eines reichen und hochgebil-
deten Gemeinwesens, war auch äußerlich ein
Schmuckkästchen, dessen Änblick allein schon
empfänglichen Äugen hohen Genuß gewährte.
Und schließlich paßte sich das Gebäude der
Umgebung so unvergleichlich ein, daß es die
ganze Gasse zum einheitlichen Kunstwerk wan-
delte. Infolge der wohlerwogenen Höhenver-
hältnisse drängte sich die Fassade nicht vor,
beherrschte aber gleichwohl die Straße durch
den Gegensatz zwischen ihrer kokett maleri-
schen Durchbildung und der korrekt eintönigen
Geschlossenheit der angrenzenden Bürgerhäuser.
Der Blick vom Zeitglockenturm her die Gasse
hinab, war ein Stadtbild von unvergeßlichem
Eindruck.

Dies köstliche Bauwerk wird nun endgültig
verschwinden. Äls vor wenigen Jahren be-
schlossen wurde, auf dem Gelände der alten
Universität ein städtisches Kasino zu errichten,
war schon damals auf Grund einer von der Ge-
meinde genehmigten Übereinkunft mit der
Bürgergemeinde auch der Abbruch des alten
historischen Museums vorgesehen worden. Man
begann zugleich mit den weitläufigen Universi-
tätsgebäuden auch den Kuppelsaal und den
hinteren Teil des Museums abzutragen und ließ
sich nur mit Mühe überreden, den Erweite-
rungsbau der seitlich benachbarten Bibliothek
soweit zurückzuschieben, daß wenigstens die
Museumsfassade vorerst noch stehen bleiben
konnte. Den lebhaften Protesten aus allen
Teilen und Kreisen des Landes gelang es dann,
den Gemeinderat zu bewegen, daß er dem
Stadtrat die Renovation des Gebäudes auf Grund
eines von Architekt R. v. Wurstemberger aus-
gearbeiteten, durchaus annehmbaren und finan-
ziell sogar einträglichen Projektes empfahl. Da
es sich jedoch dabei um eine Abänderung der
von der Gemeinde bereits früher genehmigten
Kasino-Übereinkunft handelte, mußte dieser An-
trag abermals der Gemeinde zur Abstimmung
unterbreitet werden. Trotz lebhaftester Auf-
klärungsarbeit konnte die Mehrzahl der Stimm-
berechtigten vom Wert des Bauwerks und seiner
Erhaltungsmöglichkeit nicht überzeugt werden;
sie lehnte eine Änderung der Kasino-Übereinkunft
ab und „vernichtete so mit roher Hand, was
die feine Kunst der gebildeten Väter aufgebaut“.

Zwar ist beabsichtigt, die Fassade zeichne-
risch genau aufzunehmen sowie in Einzelheiten
in Gips abformen zu lassen und außerdem da-
für zu sorgen, daß alle Hauptteile sorgfältig
abgehoben und aufbewahrt werden zu späterer
Wiederverwendung etwa beim Umbau des Stift-
gebäudes oder bei einer Erweiterung des neuen
historischen Museums; aber was will das alles
bedeuten gegenüber dem unersetzlichen Verlust,
den Bern an seiner städtischen Schönheit er-
litten hat. C. H. Baer.

•s

PARIS - -

Die berühmte Grabkirche der Burgundischen
Herzoge in Brou bei Bourg (Dept. Äisne), die
schon früher in Staatsbesitz übergegangen und
als historisches Monument klassiert worden war,
ist jetzt formell der Verwaltung des Ministe-
riums der schönen Künste unterstellt worden.
Es ist erinnerlich, daß die letzten Untersuchungen
von Bode und Voege festgestellt haben, daß die
Skulpturen dieser Kirche unter Leitung des
Conrat Meit von Worms ausgeführt wurden.

ENTDECKUNGEN

DER KÖLNER CLARENALTÄR

Eine seltsame Kunde kommt aus der alten
Rheinstadt, die geeignet sein dürfte, bei den
Kunsthistorikern Sensation hervorzurufen. Seit
5 Monaten befinden sich die Flügel des Claren-
altars, vom Mittelschrein losgelöst, im Atelier
des Kölner Malers nnd Restaurators Heinrich
Fridt, um für die Marienburg kopiert zu werden,
wodurch zum ersten Male die Möglichkeit einer
sorgfältigen Untersuchung gegeben war. Hier-
bei hat sich nun herausgestellt, daß die Male-
reien, die wir als Meisterwerke altkölnischer
Malerei seit Jahrzehnten bewundert haben —
Übermalungen von der Hand eines Restaurators
aus dem Anfang des vergangenen Jahrhunderts
sind! Mit verhältnismäßig wenig Mühe ist es
gelungen, durch diese und noch andere frühere
Übermalungen hindurch bis zu dem eigentlichen
Werke vorzudringen. Hier stieß man nun auf
Gestalten von weit strengerem, echt gotischem
Typus und großartig bewegtem Duktus der
Umrißführung, die eine beträchtlich frühere Ent-
stehungszeit, als man bislang für den Altar an-
genommen hatte, involvieren. Die freigelegten
 
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