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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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1. Heft
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Der Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0050

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DER KUNSTMÄRKT

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♦♦ ♦♦

♦ ❖

DIE ÄMHERSTKOLLEKTION
UND IHR ENDE

Wenn nach dem Tode eines großen und ver-
ständnisvollen Sammlers die durch Scharfsinn und
Opfer zusammengebrachten Schätze nach allen
Himmelsrichtungen verstreut werden, ist das jedes-
mal für den Kunstfreund ein trübseliges Gefühl.
Ein menschliches Moment macht sich geltend.
Es ist, als verschwänden all die Schätze nun
auch, als hätte sie nur der Zufall, nicht ein lei-
tender, wählender Wille zusammengebracht zu
einer idealen Einheit. Wenn aber solch ein
Sammler, ein Fürst unter ihnen, als Lebender
noch das Äuseinandergehen seiner einzigartigen
Sammlung mit ansehen muß, so erscheint das
in der Tat ein tragisches Geschick. Lord Äm-
herst ist es im verflossenen Monat begegnet.
Durch den Betrug eines Mannes, dem er zu
sehr getraut, hatte er, wie es heißt, nicht weniger
als £ 250000 verloren. Da blieb nichts anderes
übrig, als die Sammlung seiner Manuskripte,
seiner Limoger Emaillen, Gobelins, Stiche und
Bilder zur Auktion anzumelden. Sie alle er-
probten sich als gute Anlage, denn trotz der
offenbaren Geldknappheit waren eifrige Sammler
und Händler von überall her doch bei der Hand,
sich solch seltene Schätze zu sichern.

Die Bibliothek war Lord Ämhersts größter
Stolz. Sie enthielt Stücke allerersten Ranges,
die er in mehr als 50 Jahren zusammengebracht
hatte, teils aus anderen berühmten Sammlungen
des Sir William Tite, des Duke of Marlborough,
usw. und des Lord Äshburton, dessen herrliche
Schätze vor nun zehn Jahren verkauft wurden.
Seit jenem Verkauf ist die Ämherstauktion die
größte Bücher- und Manuskriptenversteigerung,
die London gesehen hat. Lord Ämherst hatte
seine Bibliothek mit einem bestimmten Plane
zusammengestellt: die Geschichte des Druckes
wie des Einbandes von frühester Zeit bis zum
Jahr 1700 durch ausgewählte Stücke zu illustrieren;
sodann noch die Geschichte der Reformation in
England wie außerhalb; die Geschichte des hei-
ligen Landes und die Geschichte der Gartenkunst.
Auch auf Meisterwerke der englischen Literatur
in ersten Ausgaben ging er aus. Die Perlen
seiner Sammlung waren 16 äußerst seltene Cax-
tons, Beispiele der ersten englischen Druckerei;
darunter Lefevre’s „Histoires ofTroy“, das ein-
zige bekannte Exemplar in fast tadellosem Zu-
stande und das erste englische Buch, das ge-

druckt worden ist, und an dem Caxton die
Buchdruckerkunst praktisch erlernte. Diese Cax-
tons aus den Jahren 1474—1493 nun wurden
wenige Tage vor der Auktion von Pierpont
Morgans Vertreter — einer Dame — en bloc
privatim angekauft und wandern somit, wie so
manches andere, nach Amerika in des Milliardärs
Bücherpalast aus Bronze und Marmor. Der An-
kaufspreis soll ein sehr bedeutender gewesen
sein. Lord Ämherst akzeptierte ihn, um die
16 Caxtons wenigstens in einer Hand vereinigt
zu wissen. Das Britische Museum besitzt mit
nur einer Ausnahme Exemplare dieser Caxtons;
gegen Morgan aber hätte es wohl in keinem Falle
anzukämpfen vermocht. Es würde zu weit führen,
hier all die bedeutenden Stücke, vor allem Bibeln
aus den frühen deutschen Druckereien, so von
Gutenberg usw. und die dafür erzielten hohen
Preise anzuführen. Die Höhe der letzteren er-
wies deutlich, daß derartige Werke nun gewaltig
im Preise gestiegen sind und selbst unter un-
günstigen Marktverhältnissen ausgezeichnete
Ergebnisse liefern. Z. B. brachte der I. Band
einer sogenannten Mazarinbibel, der „Biblia
Sacra Latina“, die als erstes Buch angesehen
wird, das mit beweglichenTyperi gedruckt worden
ist, # 2050, während es 1884 für £ 500 gekauft
worden war. Der zweite Teil der Bibliothek
wird im März zur Versteigerung gelangen.

Neben seiner Bibliothek hatte Lord Äm-
herst besonders Gewicht auf seine Limoger
Emaillensammlung, auf Gobelins und franzö-
sische Ziermöbel gelegt. Diese wurden bei
Christie am 11. Dezember versteigert. Da gab
es eine Serie von acht Riesengobelins, die den
Ruhm und die Taten Ludwig XIV. verherr-
lichen; sie sind etwa 15 Fuß hoch und 19 Fuß
lang, in glanzvollen Farben gewebt und reich
mit Gold und Silberfäden durchschossen. Der
bedeutendste von ihnen zeigt die Königin von
Frankreich in einer Staatskarosse, neben ihr auf
weißem Schlachtroß den König, der die Huldi-
gung der Bürger von Dole entgegennimmt. Sie
stammen aus dem sächsischen Schloß Moritz
bürg und brachten jetzt 12000 gs. Eine Louis XV.
Einrichtung: 12 Fauteuils und zwei Sofas mit
Gobelinbezug, auf dem die Äesopischen Fabeln
dargestellt sind, ging für 7000 gs. in den Besitz
von Asher Wertheimer über. Lord Ämherst
hatte s. Z. 200 gs. dafür bezahlt.

Von Limoger Emaillen trugen „Tod der
Jungfrau“ 1700 gs., „Prozession nach dem Cal-
 
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