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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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2. Heft
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Der Kunstmarkt
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DER KUNSTMÄRKT

V V




DER KUNSTMÄCEN

Claude Philipps, der Direktor der Londoner
Wallace Collection, veröffentlicht im „Daily Tele-
graph“ anknüpfend an W. Bodes Artikel über das
Jubiläum des Prinzen Johann von Lichtenstein
in der „Neuen Freien Presse“, einen Artikel mit
der obigen Überschrift. In ihm spricht er von
-dem Unterschied zwischen einem Kunstmäcen
und einem bloßen Kunstsammler'. Erstere gäbe
es, meint er, kaum noch heutigen Tages, letztere
in genügender Zahl. Sie hätten leider mit
ihrem Golde, ihrer einzigen Macht, die ersteren
völlig verdrängt. Der wahre Kunstmäcen,
schreibt Philipps, ist gänzlich verschieden von
dem großen Kunstsammler, der bedeutende
Kunstschätze sein eigen nennt, und er steht
auf einer viel höheren Stufe als dieser. Auch
er muß, neben anderem, ein großer Sammler
sein, aber eben noch viel mehr als bloß das.
Der moderne Mäcen muß vor allem auch die
heutige Kunst ermutigen. Dazu braucht er eine
beherrschende Stellung und großen Reichtum,
um lebenden Künstlern nicht bloß Aufträge zu
geben, sondern sie auch zu fördern. Und er
muß dazu beitragen, die Entwickelung der heu-
tigen Kunst wenn nicht zu dirigieren, so doch
zu beeinflussen und zu kontrollieren. Von
höchster Wichtigkeit dabei ist, daß er die Über-
zeugung hat und vor allem demgemäß auch
handelt, daß Kunst mehr als eine dekorative
Beigabe zum Leben ist, daß sie vielmehr das
edelste Mittel zu einer höheren ästhetischen
Erziehung und den wahrsten, bleibendsten und
stärksten Ausdruck der Schönheit und des
Lebens selber darstellt. Der wahre Kunstmäcen
von dem Typus des Prinzen Johann von Lich-
tenstein wird — wenn ihm das Glück und seine
Mittel es gestatten — der Besitzer der schön-
sten Werke aller größten Schulen werden und
auf diese seine Besitztümer mit berechtigtem
Stolze schauen. Aber er wird vor allem da-
nach trachten, sie zu einem Genuß und zur
Stärkung seiner Mitbürger, ja der ganzen Welt,
zu machen. Er wird sich nur als ihr Verwalter
fühlen, dem die Aufgabe zuteil geworden ist,
die unschätzbaren Werke, deren rechtlicher
Eigentümer er ist, zum Nutzen der Allgemein-
heit, nicht bloß einiger weniger Begünstigter
zu schützen und zu bewahren. Dieser höchste
Typus des Kunstmäcens existiert im heutigen
England unter all jenen nicht mehr, die einen

großen Namen und Stellung, großen Reichtum
und Kenntnis ihr eigen nennen. Um diese
wahrhaft edle Rolle würdig zu spielen, dazu
gehören nicht bloß außergewöhnliche Gaben,
sondern auch das Verständnis dafür, was Kunst
für die ganze Welt bedeutet, und der feste
Wille, eine große Macht auszuüben und einer
großen Sache zu dienen. Die heutigen großen
Sammler sowohl in England wie in Amerika
sind meistens Handelsfürsten, die zu ihrer Macht,
ihrem Reichtum durch den Handel gekommen
sind, und im Gegensatz zu ihren Vorläufern
der letzten Generation scheinen sie sich von
der modernen Kunst zurückzuziehen. Statt
dessen gehen sie, von ihrem Standpunkt aus
begreiflich genug, darauf aus, die Schätze ver-
gangener Zeiten aufzuhäufen, die schon das
Urteil der Jahrhunderte überdauert und sich so
als echtes Gold erwiesen haben. In der ver-
gangenen Generation gab es einige englische
Sammler, die eine viel höhere und edlere Auf-
fassung von der Aufgabe und Pflicht des Kunst-
liebhabers und -Sammlers besaßen; sie stellten
in der Tat, soweit ihre Mittel und ihre Stellung
es ihnen gestatteten, das Ideal eines Kunst-
mäcen dar. Unter diesen seien nur genannt
der verstorbene Mr. William Graham, der nicht
bloß alte Meister jeder Schule sammelte, son-
dern auch mit. freundschaftlichem Verständnis
und Aufträgen den originellsten Künstlern seiner
Zeit: Rossetti, Burne Jones, Walker, Whistler
usw. helfend und fördernd zur Seite stand; der
verstorbene Mr. Leyland, der Italiener des
Quatrocento und deren englische Nachfolger
besonders liebte, zugleich aber auch Whistlers
Kunst zu schätzen wußte und ihm die Gelegen-
heit zu jenem einzigen Meisterwerk der mo-
dernen dekorativen Kunst, dem bekannten
Pfauenzimmer, gab; und endlich die dem South
Kensington Museum hinterlassene Sammlung
Constantine Jonides, in der sich Werke zahl-
reicher alter Schulen (Italiener desTre-, Quattro-
und Cinquecento, Franzosen und Niederländer
des XVII. Jahrhunderts, Rembrandt, Terborcb,
Potter usw.) und daneben moderne Franzosen:
Delacroix, Daumier, Rousseau, Millet, Corot,
Courbet und Degas, sowie moderne Engländer:
Rossetti, Burne Jones usw. befinden. Und diese
Bilder wurden erworben, als jene Meister noch
keineswegs allgemein anerkannt waren.

Philipps hält des Prinzen Lichtenstein Samm-
lung jetzt wohl für die bedeutendste und um-
 
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