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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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3. Heft
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Entdeckungen
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Denkmalpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0116

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102

Der Cicerone

Heft 3

sondern auch jede stilkritische Vernunft. Die
Zeichnung ist unsicher, kleinlich, fahl die Farbe,
von den jauchzenden Akkorden des großen
Meisters keine Spur. Ich glaube nicht zu irren,
wenn ich dieses schwache, fade Deckengemälde
Fabio Canal zuschreibe, einem sehr mittelmäßig
begabten Schülers Tiepolos, von dem sich in
Kirchen und Palästen Venedigs manches andere
unbedeutende Werk befindet. l. Brosdi.

S

PÄRIS =— -- -

In der Societe de L’Histoire de l’Ärt Fran<;ais
sprach Herr de Nolhac über ein im Lycee zu
Versailles entdecktes Portrait der Königin Marie
Leczinska von Nattier, einem der besten Por-
traits dieses Meisters, das auf einige Zeit im
Museum zu Versailles ausgestellt werden soll.

DENKMALPFLEGE

ÄVIGNON

In Avignon hat sich eine Gesellschaft zum
Schutze der in der Stadt befindlichen Altertümer
gebildet. Dieselbe hat den Minister der schönen
Künste auf die großen Gefahren aufmerksam
gemacht, denen die Prophetenbilder in der großen
Halle des päpstlichen Schlosses ausgesetzt sind,
wenn sie nicht sofort gegen die Verwitterung
geschützt werden. Ebenfalls seien die Fresken
des Simone Memmi im Tympanon über dem
Haupteingange der Kathedrale von Avignon, so-
wie die im Inneren der Kirche befindlichen Wand-
malereien aus dem XII.—XV. Jahrhundert arg
gefährdet.

S

SCHWEIZ --.

Baselland. Die Wandgemälde in der Kirche
von Ormalingen, aus der ersten Hälfte des
XIV. Jahrhunderts, Reste der Bemalung einer
erweiterten kleineren Kapelle, die 1907 entdeckt
wurden, sollen nach den Gutachten der Experten-
kommission der schweizerischen Gesellschaft für
Erhaltung historischer Kunstdenkmäler zu ihrer
Konservierung anläßlich der Wiederherstellung
des Kirchenraumes mit einer fixierenden Flüssig-
keit überstrichen und dann durch bewegliche
Panneaux überdeckt werden. Unter den noch

vorhandenen Darstellungen, die Szenen aus der
Legende des heiligen Nicolaus, Christus in der
Vorhölle, die Schlüssel-Belehnung des Petrus,
Reste eines jüngsten Gerichts und einen heiligen
Leonhard zeigen, ist besonders das überlebens-
große Bild eines leidenden Christus von ikono-
graphischem Interesse. Rings um.die Gestalt
Christi, der Maria mit klagend erhobener Hand
gegenüber steht sind die mannigfaltigsten Werk-
zeuge, die Schneiderscheere, der Sporn des Ritters,
das Winkelmaß des Zimmermanns, Rechen,
Schaufel, Sense und Sichel des Bauern, Maurer-
kelle, Kochlöffel, Kamm, Strumpf und Weber-
schifflefn aufgemalt und durch Blutspuren als
Marterwerkzeuge gekennzeichnet.

* *

*

St. Dionys bei Rapperswil am Ziirichsee.
In dem einsam an der Straße Rapperswil
— Bollingen, unweit des Frauenklösterchens
Wurmsbach stehenden Kirchlein St. Dionys sind
durch Dr. Rüegg von Wagen interessante, mit
1467 datierte Fresken aufgedeckt worden. Die
Malereien zeigen im einschiffigen Langhaus auf
dem oberen Teil der Seitenmauern in zwei
Reihen rechteckige, unmittelbar aneinander an-
schließende Darstellungen der Legende des
heiligen Dionysius, während darunter gemalte
Tuchbehänge die Wände verkleiden. Südlich
des rundbogigen, einer noch älteren Kirche ent-
stammenden Chorbogens findet sich eine soge-
nannte „Mantelschaft Mariae“ gemalt, im Chor
südlich, gegenüber der Turmpforte, ein Wand-
bild des heiligen Martin, wie er hoch zu Roß
seinen Mantel für den am Boden kauernden
Bettler teilt.

Diese Fresken wurden im ausgehenden
XVII. Jahrhundert übertüncht und die weißen
Flächen im Kirchenschiff wie im Chor dann mit
aufgemalten, regelmäßig verteilten und gelb-
umrahmten Einzelbildern geziert, deren konven-
tionelle Darstellungen vom Leben des heiligen
Dionys durch gereimte Unterschriften erläutert
werden. Im XIX. Jahrhundert sind dann alle
Wandflächen abermals einheitlich weiß übertüncht
worden. Es wäre äußerst interessant zu unter-
suchen, wie die sonst in der Schweiz nur selten
dargestellte Dionysius-Legende hierher kam.

Auch die Langhausdecke des Kirchleins be-
sitzt hohen Kunstwert; sie ist eine wohl aus
der Zeit der ältesten erhaltenen Bemalung
stammende gerade Leistendecke mit flachge-
schnitzten Friesen von trefflicher Zeichnung und
mit zierlichen Maßwerken auf farbigem Grund,
die an Eleganz und kunstvoller Ausführung nur
von wenigen ähnlichen Schweizer Arbeiten über-
troffen werden.
 
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