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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 1.1909

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Von den Auktionen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24117#0191
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Von den Auktionen

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figur Martin Luthers befanden, wurden die
Limiten nicht erreicht. Dagegen erzielten ein
großes Kirchenfenster (1,46 m hoch), das im
oberitalienischen Geschmacke des beginnenden
XVI. Jahrhunderts in einem ovalen Kranz von
Sternen und Engelsköpfchen Maria mit dem
Kinde zeigt, 7400 Fr. und eine prächtige Figu-
renscheibe (um 1500) mit der Standfigur Johan-
nes des Täufers (37/36 cm) 7800 Fr. Die restau-
rierte, aber in Zeichnung wie im Kolorit überaus
feine Wappenscheibe des Hans Imer von Gil-
genberg und der Ägathe von Breitenlandenberg,
mit 1525 datiert, (47/41 cm) wurde für 3800. Fr.
verkauft, eine Scheibe der Widderzunft zu Zü-
rich von 1537 (42/31 cm) um 1000 Fr., eine
Scheibe der Stadt Wil von 1578 (41/31 cm) um
3200 Fr. und eine Wappenscheibe von Lichten-
steig von 1601 um 640 Fr. an das Museum zu
Lichtensteig im Toggenburg. Eine hübsche Rund-
scheibe von 1622 mit einer Landkarte von
Europa und dem Wappen des bekannten zür-
cherischen Kartographen Josias Murer (Durchm.
23,5 cm) kam um den Preis von 4100 Fr. in den
Besitz eines auswärtigen Liebhabers; auch
eine späte Scheibe mit der Darstellung des
Rütlischwurs (40/28,5 cm), die 2600 Fr. einbrachte,
ging außer Landes nach Paris.

Besonders hohe Preise wurden für Zürcher
Porzellane bezahlt. Ein Kaffee- und Teeser-
vice, in Korallenrot mit Randborden und japa-
nisch stilisierten Garten-, Baum- und Pflanzen-
motiven bemalt,istmit 700Fr. bezahlt worden; ein
anderes Kaffeeservice, ein vielteiligeres Prachtser-
vice, kirschrot bemalt mit minutiös ausgeführten
Landschaften im Geschmacke der Niederländer
des XVIII. Jahrhunderts und mit Goldrändern
(Marke wie bei dem erstgenannten Service blaues
Z und * *) blieb um 5100 Fr. in Zürich. Von den
Erzeugnissen nichtschweizerischer Manufakturen
seien ein Paar Salzfäßchen aus Nymphenbur-
ger Porzellan erwähnt, Tafelzierstücke mit den
Figuren eines Negers und einer Negerin, die
für 430 Fr. verkauft wurden und ein Kaffeeser-
vice, ein sogenanntes „Freundschaftsservice“,
aus Wallendorfer Porzellan vom Anfang des
XIX. Jahrhunderts, (Marke: blaues W), dessen
sämtliche Teile geriefelt und in Rot, Grün und
Schwarz mit Freundschaftsemblemen bemalt
sind (200 Fr.).

Von schweizerischen Fayencen erregte eine
länglich ovale Suppenterrine Lenzburger Arbeit
des XVIII. Jahrhunderts mit Landschaften und
Liebesscenen in Gelb, Grün und Blau bemalt
lebhaftes Interesse; sie erzielte 500 Fr. Eine
lebensgroße vorzügliche Frauenbüste in Terra-
kotta (45 cm hoch), von Johann Valentin Sonnen-
schein modelliert, wurde von der Direktion des

Germanischen Museums in Nürnberg für 1300 Fr.
ersteigert. Sonnenschein, der 1749 zu Ludwigs-
burg geboren wurde, übersiedelte 1779 nach
kurzem Aufenthalt in Zürich nach Bern, wo er
bis zu seinem 1816 erfolgten Tode zuerst als
Professor an der Kunst- und Zeichenschule, dann
von 1803 ab an der erweiterten bernischen Aka-
demie lehrte und tätig war. In Berner Familien
begegnet man noch hin und wieder Büsten, Ton-
gruppen und Statuetten von seiner Hand und
auch das Berner Kunstmuseum besitzt 17 seiner
Arbeiten, alles kulturgeschichtlich interessante,
liebenswürdige Schöpfungen dieses außerhalb
Berns wenig bekannten Meisters. Ein Paar
fränkische Fayence-Henkelkannen mit kugel-
förmigem, schraubenartig gewelltem Leib und mit
figürlich belebten Landschaften blau in blau
bemalt erbrachten 260 Fr., den gleichen Preis wie
die interessanten Fayence-Gefäße aus Domo-
dossola, zwei Krüge mit reliefierten Medaillons
und ein Trinkgefäß in Form einer Frau zu
Pferde, beide in Grün, Gelb, Blau und Weiß
glasiert.

Von den zahlreichen Arbeiten in Silber und
Gold verdient u. a. ein Luzerner Becher von
1642 mit der Meistermarke H. T. hervorgehoben
zu werden, der für 285 Fr. verkauft wurde; von
den Bestecken seien zwei Garnituren von je
sechs Äpostellöffeln erwähnt, Zürcher Arbeiten
des XVII. Jahrhunderts, für die 500 Fr. und
470 Fr. erlöst worden sind. Verhältnismäßig
sehr hohe Preise ergab das vorhandene Zinn.
Ein sogenanntes „Spitalschüsselchen“ von 1571,
(Durchm. 14,5 cm) mit dem Beschauzeichen von
St. Gallen, wurde mit 220 Fr., eine Zürcher Tauf-
schüssel von 1685 (Durchm. 43 cm) mit 390 Fr.,
das Becken eines Lav'oirs (Beschauzeichen von
St. Gallen) mit 330 Fr. und eine große ost-
schweizerische Schraubflasche von 1701 (44 cm
hoch) mit 160 Fr. bezahlt.

Die Mehrzahl der teilweise sehr interessanten
Waffen kam nach der Westschweiz. Das
schweizerische Landesmuseum in Zürich erwarb
um 2250 Fr. einen Schweizer Dolch aus dem
XVI. Jahrhundert, 37 cm lang, dessen auf der
Vorderseite kupfervergoldete, durchbrochene
Scheide mit Darstellungen aus dem Leben Sam-
sons geziert ist.

Die Preise der Möbel bewegten sich in den
üblidrenGrenzen; besonders groß war die Nach-
frage nach den gotischen Kästchen, von denen
mehrere in geschnitztem Buchenholz aus dem
XV. und XVI. Jahrhundert vorhanden waren.
Eine ostschweizerizche Truhe aus Eichenholz,
aus der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts,
mit eingelegten Städteansichten auf der Vorder-
seite, erwarb das Museum zu Neuenburg für
 
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